Übersicht Wasserburger Straßennamen
Autor: Matthias Haupt
Die Straßennamen der Stadt Wasserburg: Einführung in den Themenschwerpunkt[1]
In der dritten Buchveröffentlichung des Archivs der Stadt Wasserburg a. Inn wurde den Bedeutungen der Wasserburger Straßennamen der Altstadt nachgegangen.
Die lexikonartige Zusammenstellung verfolgt das Ziel, alle im Wasserburger Stadtgebiet liegenden Straßennamen zu erläutern. Die Herausgabe war ursprünglich in zwei Bänden (Heft 1 Altstadt und Heft 2 Burgerfeld/Burgau/Attel/Reitmehring – genauer, amtlich: Burgerfeld, Wuhr/Tegernau, Burgstall/Kellerberg; Burgau, Burgau-Süd, Burgau-Nord, Gabersee; Reitmehring-Nord, Reitmehring-Süd) geplant. Während das Heft 1, Altstadt, im Jahr 2008 erscheinen konnte, wurde das Heft 2 bisher nicht publiziert, da die Forschungsarbeiten nicht abgeschlossen sind. Das Historische Lexikon Wasserburg wird nun als ideales und besser geeignetes Format empfunden, jeweils abgeschlossene Neu-Bearbeitungen direkt in dieses Lexikon aufzunehmen. Die Bearbeitungen der Buchveröffentlichung, also der Altstadtstraßennamen, werden in dieses Lexikon, jeweils mit Seitenverweis auf die Erstveröffentlichung, übertragen und durch Angaben zu Straßennamenfestsetzungen im Stadtmagistrat/Stadtrat ergänzt. Bei den übrigen Straßennamen handelt es sich hingegen um Erstveröffentlichungen innerhalb dieses Lexikons, die mit Einzelnachweisen versehen werden.
Art und Aufbau der Lexikoneinträge
Als Themenschwerpunkt Straßennamen des Historischen Lexikons Wasserburg wird, wie bei der Druckausgabe des Heftes 1, bei jedem Eintrag nach der jeweiligen Namenbedeutung einer Straße gefragt und die namengebenden Ursachen erklärt. Die Darstellungen versuchen, Entwicklungen aufzuzeigen und die mit dem Namen jeweils verbundene(n) Geschichte(n) kurz zu erzählen. Bei älteren Straßennamen werden die ersten urkundlichen Erwähnungen angegeben und eventuelle Namenänderungen erläutert. Bei neueren Straßennamen, die ab dem 19. Jahrhundert vergeben und erdacht wurden, kann in den meisten Fällen das Namengebungsjahr nachgewiesen werden. Jüngst, mit dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz (1958), werden die Straßen des Gemeindegebietes gewidmet. Aus den daraus entstandenen amtlichen Unterlagen stammt bei einigen neueren Straßennamen die Angabe des Jahres der Widmung bzw. der Benennung. Mit der erst nach 2008 erfolgten Übernahme der Stadtratsprotokolle, kann auch diese Überlieferung nochmals systematisch in die Erörterungen einbezogen werden.
Wenn nach der Bedeutung eines Namens gefragt wird, müssen verschiedene Quellen bemüht werden, deren Aussagen im Lexikon komprimiert wiedergegeben werden. Für ältere Flurnamen, die teilweise seit dem Mittelalter bestehen, sind dies beispielsweise Erläuterungen aus schon bestehenden Ergebnissen der Wasserburger Ortsnamenforschung. Die Straßennamengeschichte der Altstadt (ab 14. Jahrhundert) wird v.a. in Auswertung der archivalischen Überlieferung interpretiert. Dabei wurden die verfügbaren Quellen, v.a. Urkunden und (Kirchen/Stiftungs-) Rechnungsbände des Stadtarchivs, systematisch durchgesehen. Neuere und neueste Straßennamen (ab 20. Jahrhundert), die oftmals auf Personenna-men zurückgehen, werden anhand der im Stadtarchiv vorliegenden biografischen Daten erklärt. Auf Begründungen oder schriftlich fixierte, politische bzw. administrative Diskussionen, die belegen könnten, warum eine Straße so oder so benannt wurde, hofft man allerdings in den Quellen des Stadtarchivs und der Stadtverwaltung meist vergebens. Ein Beispiel: Fehlende Erläuterungen zur Straßenbenennung in den Akten sind nachvollziehbar, wenn man davon ausgehen kann, dass die Entscheidungen des Stadtrates zur jeweiligen Straßenbenennung meist einmütig getroffen werden konnten. Die beispielsweise auf lokale und verdiente Persönlichkeiten zurückgehenden Namengeber waren in der hiesigen Bevölkerung und somit den Entscheidungsträgern meist bekannt; Erläuterungen/Begründungen erübrigten sich daher.
Im 20. Jahrhundert (hier v.a. 1914/1927) werden Gründe für die Namengebungen nur im Streitfall aus den Akten ersichtlich (z.B. Marienplatz), die Widmungsakten (v.a. ab 1958/1961) und die dort beigegebenen Protokollauszüge der Ausschüsse zeigen ebenfalls selten Begründungen/Diskussionen der Namengebung auf oder offenbaren Impulsgeber, die zur Benennung führten. Dementsprechend muss neben den Archivalien auf die zusätzlich im Archiv vorhandenen Informationsquellen zurückgegriffen werden, um die Namen zu erläutern, während – dem Informationsgehalt der hier ausgewerteten administrativen Quellen entsprechend – der ursprüngliche Weg der Namenfindung bzw. Namendiskussionen oft im Dunkeln bleibt. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass die auswertbaren Protokolle der Sitzungen des Stadtrates und der Ausschüsse Ergebnisprotokolle sind: Dementsprechend sind protokollierte Diskussionen einer Straßennamenvergabe, von ganz seltenen Einzelfällen abgesehen, nicht zu finden.
Anschließend an die Straßenbenennungsakten 1914/1927, findet sich im Stadtarchiv für die jüngeren Straßenbenennungen ein Sammelakt, (Festsetzung und Änderung von Straßennamen und Hausnummern, 1950-1983) welcher teilweise Motivationen oder Gründe zu Straßenbenennungen preisgibt. Vor allem sind hier Vorschläge zu Benennungen aus der Bevölkerung und von Institutionen an den Stadtrat enthalten; auch einige Protokolle des Stadtrates geben Aufschluss über die Namenwahl. Wenn dies der Fall ist, werden die Gründe zur Namengebung immer angegeben. Meist sind Vorschläge für Namenbenennungen, zum Beispiel von Seiten des Heimatvereins, vom Bürgermeister und Stadtrat berücksichtigt worden, wenn diese auch vielfach nicht sofort umgesetzt werden konnten.
Falls inhaltlich positiv aufgenommene Anregungen nicht zur Anwendung kamen und dies im Einzelfall eher mit der Örtlichkeit oder der Ablehnung einer Umbenennung begründet worden war, wurden diese offensichtlich in ein (nicht durchschaubares) System der Wiedervorlage eingebracht: Dieses lässt Namenvorschläge im wahrsten Sinne des Wortes an anderem Ort und zu anderer Zeit mit ziemlicher Regelmäßigkeit wiederkehren. (Beispielsweise: Hallgrafenstraße; Josef-Kirmayer-Straße).
So sind im Beschlussprotokoll der Grundstückskommissionssitzung vom 5.11.1958 zwar die ursprünglichen Namenvorschläge für die Straßen des oberen Burgerfeldes zu ersehen. Unklar bleibt jedoch, wer die Vorschläge jeweils eingebracht oder überlegt hat und ob die in Bleistift angebrachten Änderungen (die übrigens auch wirksam wurden) in der Diskussion der Kommission behandelt worden sind oder vom Bürgermeister Neumeier, der die Änderungen zeichnete, direkt verfügt wurden. Wahrscheinlich ist Letzteres. Die Benennung von Ortsstraßen des Beispielprotokolls nach Musikern und Bergen im Burgerfeld, entspricht dem Wunsch oder dem Bestreben, gerade bei neuen Straßenzügen, zusammengehörige Namengruppen zu wählen. Damit wird mittelbar Orientierungshilfe geleistet. Mit dem Komponist Zaininger stellte Bürgermeister Neumeier Mozart somit einen lokalen Komponisten gegenüber. Die weiteren Personen der Wasserburger Zeitgeschichte sind durch Bergnamen ersetzt worden. Der Name des verdienten Stadtarchivars Kirmayer wurde später in der Altstadt wieder aufgegriffen, eine Bürgermeister-Ertl-Straße gibt es bis heute nicht.
Grundsätzlich finden sich im Stadtarchiv weitergehende Informationen und Quellenbelege, beispielsweise Biografien der namengebenden Personen. Da Biografien auch Gegenstand des Historischen Lexikons sein werden, werden biografische Daten beim Straßennamenlexikoneintrag kurz gehalten und annotiert.
Die administrative Benennungspraxis ist nicht immer zufriedenstellend zu ergünden: Soweit bis heute ersichtlich, fehlen beispielsweise Akten und Belege zur systematischen Fest-legung von Straßennamen des 19. Jahrhunderts weitgehend, während aber Zufallsfunde der amtlichen Begriffsverwendungen oder die administrative Einteilung der Stadt in Gassen und Vierteln 1833 amtliche Festsetzungen durch regelmäßige, schriftliche Begriffsverwendungen in dieser Zeit vermuten lassen.
Die Erörterungen sind auch auf Grund der Quellenlage keinesfalls gleichförmig. Etymologisch/sprachwissenschaftliche Erklärungen, Arten der Datenerhebungen, Fragen nach der Entstehung der Straßennamen und historisch motivierte Erklärungsansätze wechseln einander ab. Teilweise ist dies bereits mit der Unterschiedlichkeit der Namen an sich begründet, indem viele ältere Straßennamen (urkundlich-belegbare) deskriptive Namen sind. Diese bezeichnen u.a. Gebäude/Richtungen/Hausnamen/Gewerbe/Lagen/Nutzungen/Besitzer/Soziale Gruppen/Flurnamen/Gewässer. Jüngere Namen dagegen wurden häufig sinnstiftend (amtlich) erdacht: Ehrung von Personen/Ideologie/traditionsbewahrende Straßennamen/Benennungsprinzip nach logischer Gliederung von Straßennamenvierteln.
Die Namenerläuterungen erfolgen alphabetisch aber nach Stadtgebieten aufgeteilt, da man innerhalb eines Stadtgebietes die oft zusammengehörigen Entwicklungen der Namengebung (historisch überlieferte Namen oder sinnstiftende Gruppennamen nach Bäumen/Vögeln/Künstlern/Schriftstellern/Bürgermeistern/Beamten etc.) besser darstellen kann.
Der einzelne Straßennameneintrag informiert über das Jahr der frühesten, im Stadtarchiv vorhandenen, urkundlichen Erwähnung, die erste Nennung eines Namens in den städtischen Akten bzw. das Auftauchen von bereits im Sprachgebrauch verwendeten Namen in den Quellen des 19. und 20. Jahrhunderts sowie bei neueren Straßennamen möglichst über das Jahr der Benennung durch Stadtratsbeschluss. Weiter werden bedeutendere Umbenennungen angegeben. Je nach Bedarf werden etymologische oder sachliche Erklärungen des Straßennamens angestrebt und kurze geschichtliche Hintergründe des Sach- oder Personenzusammenhangs erläutert.
Inhaltliche Einführung
Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit gab es in Wasserburg keine Hausnummerierungen. Die wichtigsten Straßen und Plätze waren mit Namen bezeichnet, deren Bestand im ersten Grundriss Wasserburgs von Tobias Volckhmer aus dem Jahr 1615 bis heute erkennbar bleibt. Außerdem trugen die einzelnen Häuser oft Wahrzeichen, an denen sie leicht erkennbar waren oder sie wurden nach ihren Besitzern benannt. Um die Lage eines Hauses zu beschreiben, gab man den im interaktiven Prozess der Sprachteilhaber herausgebildeten Straßen-namen, d.h. den im umgangssprachlichen Gebrauch geprägten Namen oder eine Ortslage an, nannte den Bewohner und bezeichnete beispielsweise zusätzlich die Nachbarn links und rechts oder andere Örtlichkeiten zur Lokalisierung. Da die Siedlung überschaubar war und die Bewohner einander kannten, genügte dies für die Orientierung und Zuordnung der Örtlichkeit vor dem geistigen Auge und vor allem zum Auffinden eines Hauses oder einer Person.
Beispiele solcher Beschreibungen in Kirchenrechunngen des 17. Jh. sind:
Anfanngs auf Abraham Palhartinger fragners behausung an der Schmidtzeill so herr Caspar Reiter innern rhats seliger zu seinem gestüfften jartag dahaer verschafft./Auf herrn Wolf Pallingers behausung am Griess zwischen Joseph Anngermayr unnd Riebolden Kher seeligen salzaufgebers heyser gelegen so die alt frau Sabina Gumppelzhamerin selig zu irer stifftung der sambsteglichen letaney verschafft hat.
Diese zwei Beispiele der schriftlichen Überlieferungen der zahlreich vorhandnen Hausbeschreibungen waren so oder ähnlich sicher auch im Sprachgebrauch üblich. Bewohner, ehemalige Eigentümer und Verstorbene hat man dabei kennen müssen (und bei der Größe der Stadt auch kennen können), um die Hausbezeichnungen zu verstehen.
Die Straßenbezeichnungen der Altstadt nach Handwerksberufen und Zünften (Gewerbenamen)
Die frühen urkundlich überlieferten Straßennamen der Altstadt Wasserburg stammen aus dem 14. Jahrhundert und nennen handwerkliche Berufsgruppen, die wohl auch in Wasserburg schon sehr früh zünftisch organisiert waren. Von diesen ständischen Zusammenschlüssen Wasserburger Handwerker, die sich im Mittelalter zur Wahrung gemeinsamer Interessen organisierten, wurden die Regeln der jeweiligen Handwerksberufe aufgestellt und überwacht. Neben wirtschaftlichen Funktionen nahmen die Zünfte u.a. aber auch religiöse und soziale Aufgaben wahr. Alle Handwerker mussten zur Berufsausübung in der Stadt Mitglied ihrer Zunft sein. Nicht wenige Zünfte hatten eigene Häuser, in denen sie mittellos gewordene Mitglieder unterbringen konnten. Zunftmeister und Zechpröbste waren zumeist auch in den Vertretungsorganen der Stadt vertreten und übten im Auftrag der Stadt einen Teil der Gerichtsbarkeit aus. Sie führten die Aufsicht nicht nur über Zunftmitglieder, sondern kraft übertragener Ämter, beispielsweise auch als Viertelmeister oder Feuerbeschauer über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das Wasserburger Zunftwesen ist systematisch und vor allem in Auswertung der im Stadtarchiv sehr zahlreich und umfangreich vorhandenen Zunftakten noch nicht vergleichend dargestellt worden, wenn es auch Einzeldarstellungen verschiedener Handwerkszweige gibt und das Städtische Museum eine bedeutende Sammlung zur Wasserburger Handwerksgeschichte zeigen kann. Die meisten überlieferten Zunftakten des Archivs setzen erst im späten 16. Jahrhundert ein. Zu diesem Zeitpunkt übernahmen Wasserburger Zünfte vielfach Münchener Ordnungen. Daneben sind städtische Ordnungen weiterhin spezifisch wasserburgisches Recht. Wenn man allerdings in den frühen Wasserburger Urkunden ab dem 14. Jahrhundert Berufe und auch ständische Zusammenschlüsse, etwa in Bruderschaften, nachweisen kann, die Namengeber der hauptsächlichen Straßenzüge der Altstadt sind, so sind die Verbünde der Berufsgruppen eindeutig älter als die überlieferten Zunftakten und Stadtordnungen des 16./17. Jahrhunderts. Ein kürzlich restauriertes Wasserburger Kopialbuch, welches lange Zeit unzugänglich war, offenbart Ordnungen der Berufszweige bzw. handwerkbezogenes Stadtrecht, u.a. der Wasserburger Kaufleute, Fragner, Bäcker, Metzger und Fleischhacker, Schuster und Lederer, Schneider und Kramer, welche bis in das 14. Jahrhundert zurückreichen.
Zeitlich – und den Berufsgruppen entsprechend auch inhaltlich – decken sich die überlieferten Wasserburger privilegialen Rechte (bekanntermaßen hauptsächlich nach dem Stadtbrand 1339 und nur in ganz seltenen einzelnen Nachweisen auch vor diesem Jahr einsetzend) und die Nachweise zünftischer Organisationsformen mit den einzelnen nachweisbaren Straßennamen des 14./15. und 16. Jahrhunderts.
Die Gründe für die Ansiedlung bestimmter Gewerbe in festgelegten Vierteln der mittelalterlichen Stadt sind dagegen auch ohne eindeutige Quellenbelege einigermaßen einleuchtend: Die vom Betrieb der Öfen ausgehende Brandgefahr verbannt beispielsweise die Bäcker (Bäckerzeile) und Hafner an den Rand der Stadt, was jedoch Stadtbrände im Mittelalter und früher Neuzeit nicht verhindern konnte. Zeitgenössische kurzzeitige Verwendungen von Orts- oder Straßennamen verdeutlichen dies (Ortsbezeichnung Prantstatt innerhalb der Altstadt 1509). Die Waffen-, ebenso wie die Kupfer- und Goldschmiede sind in der Nähe der Burg zu finden (Schmidzeile), aber auch am Pogner Thor (1615, später Roter Turm genannt) wohnte, wie der Name sagt, ein Waffenhersteller – nämlich ein Armbrustmacher.
Wenn nun frühe urkundliche Belege beschreibender Gewerbenamen nachweisen können, dass sich diese Namen des Altstadtkerns tatsächlich auf die nicht ausschließliche, aber durchaus verbreitete Ansiedlung bestimmter historischer Gewerbe in den jeweiligen Straßen beziehen, wie etwa die Straßennamen der Schmiede, Lederer, Schuster, Salzsender und Bäcker belegen, so gibt es daneben ebenso diejenigen Berufe, die zwar Namengeber einiger Straßen unserer Altstadt sind, deren Straßennamen aber nicht urkundlich auftauchen. Daraus muss gefolgert werden, dass diese Bezeichnungen – in Anlehnung an die vorhandenen, authentischen Namen – zu verschiedenen Zeiten als frühe, sinnstiftende, tradi-tionsbewahrende Straßennamen hinzugekommen sind. Das heißt, man erinnerte (sich) an ehemals hier anzutreffendes oder zur Zeit der Namenprägung nur noch vereinzelt vorhandenes Gewerbe. Genauso aber, wie man es demnach nachweislich mit historisierenden, berufsbezogenen Straßennamen in der Altstadt zu tun hat (Nagelschmidgasse; in dem Namen Weberzipfel der Zusatz Weber-; Färbergasse), die, da in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen nicht urkundlich nachweisbar, im Sprachgebrauch erst in Zeiten geprägt wurden, als die berufsmäßige Gliederung der Stadt nach Gewerbszweigen (schon) sehr ungleichmäßig war, gibt es auch Fälle von historisch-belegbaren, berufsbezogenen Straßennamen, die in Vergessenheit geraten -und somit erloschen sind. Darunter fällt u.a. die Kübler- oder Schäfflergasse – heute Tränkgasse und vor allem die Kramerzeile.
Weitere, nicht immer genau zu lokalisierende, aber nachweislich verwendete städtische Orts- und Straßennamen sind u.a.: In der Scheiben, 1437; Prantstatt, 1509; Hintern obern Gmach, 1512; Englperg, 1513, Götschperg, 1495; Auf der Strass, 1462; Gut zum Graben, 1490; Im Gässl, 1578. Andere überlieferte Straßennamen können teilweise ihren Nachfolgestraßen zugeordnet werden.
Personenbezogene Hausbezeichnungen (beschreibende Hausnamen)
Die, neben den Straßenangaben des Mittelalters, der Frühen Neuzeit und bis heute durchaus üblichen, Personenzuordnungen der Häuser, sind in vielen Fällen – natürlich mit wechselndem Personenbezug – bis heute erhalten geblieben und im Sprachgebrauch immer noch lebendig, auch wenn der Personenbezug unter Umständen längst verstorbene Bewohner angibt.
Ein Beispiel eines Hausnamens, der u.a. im Zusammenhang der Sanierung des Heilig-Geist-Spital-Ensembles (2007/2008) häufig verwendet wird, ist die Bezeichnung Ferstl-Haus. Das Ferstl-Haus wird saniert, heißt es dabei aus aller Munde: Benannt wurde dieses Haus (in der Bruckgasse 5) durch Sprachgebrauch und Gewohnheit nach dem ehemaligen Eigentümer des Hauses 20a (=Bruckgasse 5), dem stadtbekannten Schlossermeister Adolf Ferstl, der in diesem Gebäude eine Schlosserwerkstatt betrieb, das Haus 1929 an die Stadt verkaufte, und dessen Sohn, Adolf Ferstl, noch bis zu seinem Tod, 1971, im 2. Stock des Gebäudes, lebenslanges Wohnrecht genoss. Forscht man nun allerdings zur Baugeschichte des Ferstl-Hauses, so wird man in den amtlichen Unterlagen der Stadt (um 1930) diese Hausbezeichnung vergeblich suchen – und wenn man auf den Namen vertraut –, wenig finden. Zuletzt und noch zu Zeiten des Werkstattbetriebs Ferstls, war das Haus nämlich geteilt, die Hausnummer 20b (ebenfalls, wie 20 a, die heutige Bruckgasse 5) stand im Eigentum der Familie Schindler, die das Gebäude 1929, zur Nutzung durch die Heilig-Geist-Spitalstiftung – ebenso wie Ferstl den anderen Hausteil – an die Stadt verkaufte, während sich der Name Ferstl-Haus, zum einen durch die bekannte Werkstatt, aber auch durch den hier noch bis 1971 wohnenden Adolf Ferstl junior prägte und bis heute lebendig blieb. Dessen Charakterisierung als 'echtes Wasserburger Original', hat zur Verfestigung des Namens über den Tod hinaus beigetragen. In den Akten jedoch findet man eine Bezeichnung Ferstl-Haus zu Zeiten der Eigentumsübertragung nicht. Der schriftlich manifestierte, zeitgenössische Sprachgebrauch erfordert daher immer die Interpretation durch Hilfsmittel, beispielsweise alte Hausnummern- und Eigentümerverzeichnisse. Die Erschließung der wichtigen Bau- und Kämmereiakten zeigte, dass der eine Hausteil der Bruckgasse 5 (das Haus 20b) eigentlich als Schindlerhaus zu bezeichnen wäre. Unterschiedliche Bezeichnungen, je nach Entstehungszeit der Quellen und Festigung einer Begriffsprägung, können für ein und dasselbe Gebäude bestehen, sie erhalten sich mehr oder weniger zufällig und sind Änderungen unterworfen.
Wie sich diese, mit Mängeln im System behaftete, naturgemäß immer zeitlich begrenzte, personenbezogene Bezeichnung von Orten innerhalb der Altstadt, (die in eigentlichen Straßennamen aber nur noch sehr selten lebendig bleibt) ursprünglich entwickelt hat, ist dennoch einleuchtend:
Von Hausnamen zur Hausnummerierung
Eindeutige Nummerierungen und Anschriften an den Häusern hätten im Mittelalter und Früher Neuzeit bei der nur spärlich verbreiteten Kenntnis des Lesens und Schreibens wenig genützt – völlig ausreichend war die oben beschriebenen Verwendung von Hausnamen. Außerdem erkannte man die Häuser an weithin sichtbaren Hauszeichen – den Zunftzeichen und Nasenschildern der Handwerksbetriebe. Während die Nasenschilder hauptsächlich äußeres Erkennungszeichen waren, entstanden die Hausnamen ursprünglich bereits aus der Notwendigkeit, ein Anwesen/Wohnhaus lagemäßig eindeutig zu definieren. Das war wichtig für den Einzug von Steuern oder Abgaben; in den für die Lexikonbeiträge ausgewerteten städtischen Quellen steht die Bezeichnung der Häuser beispielsweise mit dem Einzug der (Ewig)-Gilten durch die Pfarrkirche St. Jakob und die Frauenkirche, verwaltet durch den Rat der Stadt Wasserburg, in Verbindung. Erst ab dem Ende des 18. Jahrhunderts ergab sich, wiederum aus verwaltungstechnischen Gründen (Volkszählung, Wehrerfassung, Steuererhebung, Brandversicherung, Gewerbeaufsicht, Post etc.), die Notwendigkeit, jedes einzelne Haus eindeutig zu kennzeichnen. Dies hatte, so meinte man damals, am zweckmäßigsten durch amtlich festzusetzende, durchgehende Nummerierung zu geschehen – der Reihe nach. Vorbild dieser Hausnummernfestsetzungen waren Frankreich (in napoleonischer Zeit) und das Kaiserreich Österreich gewesen.
Wie auch in anderen Städten üblich, wurde in Wasserburg das System der fortlaufenden Nummerierung der Häuser über Straßengrenzen hinweg angewandt. Dabei musste in der Bezeichnungspraxis nicht unbedingt der Straßenname angegeben werden, es reichte die Nennung der Nummer aus, da es jede Hausnummer, in Anwendung dieses Systems, nur einmal gab. Die Durchnummerierung begann mit dem Haus Nr. 1 am Südost-Ende der Tränkgasse (heute Tränkgasse 12), und setzte sich von dort durch alle Straßen, Zeilen, Gassen und Plätze fort. Die Mängel der fortlaufenden Nummerierung traten bei Neubauten bald zutage. Zeitlich nach der ersten Nummerierung entstandene Bauten oder Hausteilungen mussten eigentlich die nächste freie, höhere Nummer erhalten: Daraus hätte sich unter Umständen auch ergeben müssen, dass neben dem Haus mit der Nr. 71 (heute: Auf der Burg 11) vielleicht das Haus mit der Nr. 312 zu finden gewesen wäre. Man half sich in diesen Fällen jedoch damit, das jeweils neue Haus oder eine Eigentumsaufteilung mit einer halben Nummer oder einem Buchstabenzusatz, also beispielsweise der Nr. 71 ½, (heute: Auf der Burg 9) zu bezeichnen. Der erste, auf Vermessung beruhende Stadtplan mit Angabe der Wasserburger Hausnummern, stammt aus dem Jahr 1813. Schriftlich sind die Hausnummern für Wasserburg bereits 1796 erstmals zusammenhängend gelistet, amtliche Fortführungen und Konkordanzen bis in die heutige Zeit erlauben die konkrete Zuordnung der einzelnen Häuser und deren Besitzer.
Der Stadtplan von 1813 weist 331 Hausnummern in Wasserburg aus, bis 1949 stieg die Anzahl auf 446 Nummern an – mit ungezählten halben-, drittel- und a, b, c, d- Nummernzusätzen. Zwar gab es mit der magistratischen Einteilung der Stadt in Viertel, Gassen und Hausnummern 1833 eine erste amtliche Fixierung von Straßennamen durch Stadtverordnung. Maßgeblich zur Identifizierung waren allerdings die isoliert stehenden Hausnummern. Das noch weitgehend unbebaute Burgerfeld beispielsweise wurde hier insgesamt als Vor der Brück bezeichnet. Weitergehende Differenzierungen der Straßennamen folgten erst später.
Amtliche Straßennamenfestsetzung/Neue Nummerierung der Häuser
Mit der lebhaft einsetzenden Bautätigkeit nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ausbau der Siedlungen im Burgerfeld sind die Mängel des bisher angewandten Systems, also der Vergabe der nächsten freien Nummer vor allem außerhalb der Altstadt immer unbefriedigender geworden. Bürgermeister und Stadtrat setzten sich deshalb ab 1927 grundsätzlich dafür ein, die Häuser immer nur straßenweise zu nummerieren, wie es in kleineren und größeren Städten schon seit Längerem geschah. Voraussetzung für diese geplante Neuerung war aber nun auch, eine klare Bezeichnung und Abgrenzung aller innerhalb des Burgfriedens der Stadt vorhandenen Plätze, Zeilen, Straßen, Gassen, Wege, Pfade und Winkel amtlich festzusetzen. Da dies bis auf die magistratischen Festsetzungen der Einteilung der Stadt 1833 nicht der Fall gewesen war (man kann eher von gewohnheitsmäßigem Gebrauch der Straßennamen mit an unterschiedlichen Stellen herausgebildeten – hauptsächlich amtlichen – schriftlichen Fixierungen sprechen) und einige kleinere Wege gar keine bzw. nur im Sprachgebrauch verwendete, vor allem auch wechselnde Bezeichnungen, hatten, begann die schwierige amtliche Festsetzung aller Namen Wasserburger Straßen: In kommunaler Selbstverwaltung war und ist der Stadtrat bzw. sind die Gemeindeausschüsse (1818-1918 – der Magistrat) für die amtliche Benennung der Gemeindestraßen und Wege (auch Hausnummernfestsetzung) zuständig. Diese Institutionen sind auch gemeint, wenn bei den Besprechungen vereinfachend von amtlicher Benennung die Rede ist.
Bereits 1914 war eine erste amtliche Bezeichnung einiger öffentlicher Wege und Plätze der Stadt durch Magistratsbeschluss erfolgt. In der Folge sollten weitere Festlegungen auf Grund Herkommens oder früherer Festsetzungen durchgeführt werden. In der Frage des Herkommens unterstützte Stadtarchivar und Studienprofessor Kaspar Brunhuber den Stadtrat. So wurde dieser u.a. 1920 aufgefordert, festzustellen, welche Straßen früher andere Namen getragen hatten und die historisch überlieferten Straßennamen zu ermitteln. Nur wenn kein alter Name oder Flurname festgestellt werden konnte, wurde im Allgemeinen zu einer neuen, nun oftmals historisch erinnernden, sinnstiftenden Bezeichnung gegriffen. Jedoch konnten damals längst nicht alle in den Beiträgen nun ermittelten historischen Bezeichnungen in den Quellen aufgespürt werden. Zusätzlich wurden die ermittelten Belege manchmal, entgegen dem Vorhaben, auch einfach übergangen, so dass einige überlieferte Bezeichnungen erloschen sind oder durch Neubezeichnungen verloren gingen. In manchen Fällen ist daher (durchaus bis heute) zu fragen, ob die Benennungen bzw. amtlichen Festsetzungen tatsächlich immer glücklich gelungen sind. (Vgl. dazu die einzelnen Lexikonbeiträge). Unter anderem auch nach Stadtarchivar Brunhubers Vorschlägen wurden Plätze, Straßen und Wege, v.a. in den neuen Bau- und Wohngebieten, nun erstmals in der Entwicklung der Wasserburger Straßennamen nach Persönlichkeiten benannt, die in Wasserburgs Geschichte eine herausragende Rolle gespielt hatten (ehrende, personenbezogene Straßennamen). Besondere örtliche Verhältnisse wurden bei den Benennungen ebenfalls berücksichtigt (traditionsbewahrende Straßennamen, hier in Erinnerung an ehemalige Gebäude, Gewerbe und Nutzungen u.a.). Auf Grund der Vorschläge des Straßennamen-Ausschusses konnte durch Stadtratsbeschluss vom 12.4.1927 die Bezeichnung der Wasserburger Straßen in der Hauptsache abgeschlossen werden. Bis 1930 gab es in diesem Zusammenhang immer wieder Folgebeschlüsse, kleinere Korrekturen und Ergänzungen. Trotz der systematischen und langwierigen Straßennamenfestsetzung, der Prozess zog sich über 16 Jahre hinweg, blieb allerdings als postalische Anschrift weiterhin die Hausnummer bestehen – ohne die Straße verpflichtend angeben zu müssen –, die allerdings, wie dargestellt, gerade bei neuen Nummern über die Örtlichkeit nichts mehr auszusagen vermochte.
Damals hatte der Markt Grafing mit diesem System ebenso zu kämpfen und wie aus der Korrespondenz beider Städte hervorgeht, bereits 1925 neue Hausnummern, jeweils straßenweise, vergeben. Wasserburgs Bürgermeister Alfons Winter erkundigte sich daher beim Markt Grafing, welche Behörden denn vor einer Neufestsetzung der Hausnummern nach Straßen gehört werden müssten. Grafing allerdings hatte sich nicht rückversichert und die Umbenennung einfach durchgeführt. Vermessungsamt, Finanz- und Steuerbehörden wurden erst nach der Umstellung informiert. In Wasserburg war man da vorsichtiger: So wurden die bestehenden Mängel der Hausnummerierung zunächst ausgiebig mit der Postverwaltungsleitung diskutiert, da man wohl davon ausging, gerade mit der Postbehörde einen Unterstützer für die geplanten und nach Meinung der Stadt wichtigen Neufestsetzungen zur straßenweisen Nummerierung zu finden. Die Post sah allerdings keinen Handlungsbedarf und ging davon aus, dass die in Wasserburg tätigen Zusteller sich genügend auskannten, um beispielsweise die vermeintlich benachbarten Häuser 302 (an der Köbingerbergstraße, Stadtteil Burgau) und 303 (an der Salzburger Straße, Stadtteil Burgstall/Kellerberg) rasch aufzufinden. Die Stadt bewies schließlich einen langen Atem und verfolgte das Ziel, indem zunächst (wie oben dargestellt) systematisch alle Straßen und Plätze amtlich benannt worden sind. Die neue Hausnummernfestsetzung wurde dann straßenweise ab 1930 geplant und entworfen, schließlich aber erst 1949/1950 tatsächlich amtlich umgesetzt. Bis dahin hatten die vielen Bruchteile und die teilweise zusammenhanglose Art der Nummerierung immer mehr zu wünschen übrig gelassen. Am 03.10.1950 erhielten auf Grund der straßenweise durchgeführten Hausnummernfestsetzung alle Wasserburger Straßen neue Straßen- und Hausnummernschilder, die von den städtischen Arbeitern angebracht wurden. Zwei DM musste dafür jeder Hausbesitzer an die Stadtkasse entrichten.
Wie in vielen Städten und Gemeinden, wurden während des Nationalsozialismus in Wasserburg am 08.04.1933 Straßennamen zwangsumbenannt: Salzburger Str. – von-Hindenburg-Straße; Am Gries/Ahornallee – Adolf-Hitler-Allee; Bahnhofstraße – von-Epp-Straße. (Durch Politik/Ideologie und Propaganda entstandene, sinnstiftende Namen).
Nach 1949 und bis heute ist die Benennung von (neuen) Straßen, Wegen und Plätzen immer wieder Gegenstand von Diskussionen auch für den Altstadtbereich gewesen.
Alle bisherigen Übertragungen und Neu-Bearbeitungen in diesem Lexikon
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Haupt, Übersicht Wasserburger Straßennamen, publiziert am 17.07.2019 [=Tag der letzten Änderung(en) an dieser Seite]; in: Historisches Lexikon Wasserburg, URL: https://www.historisches-lexikon-wasserburg.de/%C3%9Cbersicht_Wasserburger_Stra%C3%9Fennamen (23.11.2024)
- ↑ Grundlage des gesamten Lexikoneintrags: Haupt, Straßennamen, 4-25.