Bayerisches Rautenwappen und Wasserburg: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Wasserburg
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[[Datei:Siegel Ludwig der Strenge 1247.jpg|mini|Siegel Herzog Ludwig II. der Strenge: Erstmalige Verwendung eines Rautenschildes durch die Wittelsbacher an einer Urkunde ausgestellt auf der ehem. Wasserburgischen Burg Hartmannsberg, 1247.]]
[[Datei:Wasserburg Ludwig Siegel.png|mini|Ursprünglich eine Wasserburger „Marke“: Urform des bayerischen Rautenwappens, Nachzeichnung aus dem Siegel Herzog Ludwig II. von 1247]]
 
Seit dem Spätmittelalter verwendete das bayerische Herrscherhaus den weiß (heraldisch: silber) und blau schräg gerauteten Schild als Wappen und bis in die Gegenwart wird dieser im großen und kleinen Staatswappen als Hoheitssymbol des bayerischen Staates verwendet.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Bayerisches Staatsministerium des Innern, Staatssymbole des Freistaates Bayern|Bayerisches Staatsministerium des Innern, Staatssymbole des Freistaates Bayern]].</ref> Darüber hinaus sind die Rauten (je nach Definitionsauffassung auch als Wecken bezeichnet) das allgemein anerkannte, vielfach verwendete Symbol für Bayern. Zum ersten mal nutzte der Wittelsbacher Ludwig der Strenge (* 13. April 1229 in Heidelberg; † 2. Februar 1294 ebd., ab 1253 Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein) den Rautenschild in seinem Siegel an einer Urkunde des Klosters Seeon vom 19. November 1247.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Seeon 10|BayHStA, Urkunden Seeon 10]].</ref> Noch vor den Wittelsbachern sind Rauten in den Siegeln der Grafen von Wasserburg und einigen niederadeligen Geschlechtern in der Oberpfalz zu sehen, das Wappen der Grafen von Bogen wird gemeinhin auch als Rauten interpretiert.
 
Die Herkunft der Wittelsbacher Rauten wurde seit dem 18. Jahrhundert in Gelehrtenkreisen diskutiert. Nachdem anfänglich eine Herleitung von Heinrich dem Löwen oder gar den Bajuwaren im Raumstand, setzte sich am Ende einer über hundertjährigen Diskussion der Fachwelt doch eine Abstammungsthese durch, die eine Übernahme der Rauten durch die Wittelsbacher von den älteren Wappen der Wasserburger oder Bogener Grafen annahm. Georg Maria von Jochner, der letzte Generaldirektor der staatlichen Archive Bayerns zur Zeit der Monarchie und wohl seinerzeit herausragendste Heraldiker, vertrat die Wasserburger Abstammung. Diese geriet seit der Neugestaltung des Staatswappens 1950 jedoch in Vergessenheit, denn damals wurde eine Herkunft von den Grafen von Bogen als Faktum in die Symboldeutung aufgenommen, ohne dass dafür irgendein Nachweis erbracht werden konnte. Gegenwärtig wird die Bogener These auch in der Wissenschaft allzuoft ohne Begründung oder Angabe von Quellen rezipiert und ihre Gültigkeit schon als selbstverständlich angenommen <ref>z.B. bei [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Slowioczek, Die Grafen von Bogen|Slowioczek, Die Grafen von Bogen]], [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Volkert, Wappen der Wittelsbacher|Volkert, Wappen der Wittelsbacher]]</ref> Doch das Gegenteil ist der Fall, denn es sprechen vier Gründe eindeutig für die Wasserburger These:
 
* Das erste Wittelsbacher Rautensiegel taucht zeitlich unmittelbar nach der Eroberung von Wasserburg auf
* Ausstellungsorte und Addressaten der Urkunden Herzog Ludwigs, an denen sein Rautensiegel angebracht ist, sind häufig im Wasserburger Umland
* Im Wappen der Wasserburger Grafen sind eindeutig rhombenförmige Rauten zu sehen, während es sich beim Wappen der Grafen von Bogen eher um ein Schachbrett oder Gittermuster handelt.
* Die Tradition des Wasserburger Hausklosters Klosters Attel, das ab 1440 die Rauten seiner Stifter in den überlieferten Farben Weiß-Blau weiterführt


Seit dem Spätmittelalter verwendete das bayerische Herrscherhaus den weiß (heraldisch: silber) und blau schräg gerauteten Schild als Wappen und bis in die Gegenwart wird dieser im großen und kleinen Staatswappen als Hoheitssymbol des bayerischen Staates verwendet.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StMI: Staatssymbole des Freistaates Bayern|StMI: Staatssymbole des Freistaates Bayern]].</ref> Darüber hinaus sind die Rauten (je nach Definitionsauffassung auch als Wecken bezeichnet) das allgemein anerkannte, vielfach verwendete Symbol für Bayern. Zum ersten mal nutzte der Wittelsbacher Ludwig der Strenge (* 13. April 1229 in Heidelberg; † 2. Februar 1294 ebd., ab 1253 Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein) den Rautenschild in seinem Siegel an einer Urkunde des Klosters Seeon vom 19. November 1247.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Seeon 10|BayHStA, Urkunden Seeon 10]].</ref> Die Herkunft der Rauten wurde seit dem  18. Jahrhundert in Gelehrtenkreisen diskutiert. Theorien über eine Übernahme der Siegelbilder von den Welfen, den Grafen von Wasserburg und den Grafen von Bogen standen im Raum. Letztere hat sich seit der Neugestaltung des Staatswappens 1950 in der offiziellen Darstellung durchgesetzt, wobei ein wissenschaftlich fundierter Nachweis für die Richtigkeit nicht erbracht werden kann. Im Gegenteil: Bei den früheren Erörterungen wurde vielfach mit falsch übertragenen Siegelbildern gearbeitet.<ref>Bitte unbedingt Ihren Aufsatz einführen und auch die wichtigen Erkenntnisse übertragen: Dietz, [...] Das Rautenwappen der Wittelsbacher in: Der Herold - Vierteljahrsschrift für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Neue Folge - Band 21 - Jahrgang 66 (2023) - Heft 1-2 2023</ref> Ebensowenig wurde die Wasserburger These, die vor allem Ende des 19. Jahrhunderts von namhaften Heraldikern diskutiert wurde, nie ausgeschlossen. Dies ist jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung bislang wenig bekannt, obwohl viele Beobachtungen an erhaltenen Siegeln für die Wasserburger These sprechen, was im vorliegenden Beitrag genauer ausgeführt werden soll: Hierzu gehört zunächst aber auch, dass die Urkunde von 1247 in einer ehemals Wasserburgischen Besitzung ausgestellt wurde und auch viele andere Urkunden aus den frühen Regierungsjahren Herzog Ludwigs aus dem Raum Wasserburg stammen.
Ein finaler Beweis ist freilich nicht möglich. Dies wäre dann der Fall, wenn Herzog Ludwig II. neben dem Wappen auch den Titel des Geschlechts übernommen hätte. Zu keinem Zeitpunkt war Graf von Wasserburg oder Hallgraf Bestandteil des bayerischen Herrschertitels, ebensowenig wie Graf von Bogen. Dieser Beitrag erläutert im Detail die Siegel und Wappen der Wasserburger Grafen und die genannten Gründe, die für eine Übernahme deren Wappens durch die Wittelsbacher sprechen.<ref>Vorliegender Beitrag basiert auf [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Dietz, Das Rautenwappen der Wittelsbacher|Dietz, Das Rautenwappen der Wittelsbacher]] wurde jedoch umfangreich erweitert</ref>. Dabei wird die wissenschaftliche Diskussion um eine umfassende Auswertung der verfügbaren Quellen und Literatur ergänzt.
Insbesondere ergänzt diese Darstellung der Herkunft der bayerisch-wittelsbachischen Rauten von den Grafen von Wasserburg die wissenschaftliche Diskussion um eine strukturierte Auswertung der relevanten Siegel und Urkunden, (die im Ergebnis auch geeignet scheint, die Bogener These zu entkräften).


==Die Frühzeit der Heraldik==
==Die Frühzeit der Heraldik==
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===Entstehung des Wappenwesens===
===Entstehung des Wappenwesens===
Das europäische Wappenwesen entstand zur Zeit der Kreuzzüge und hat vermutlich seinen Ursprung in den Militäremblemen byzantinischer und orientalischer Heere. Gemusterte orientalische Stoffe wurden als Banner und wohl auch als Schildbespannung genutzt.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Schroeder, Kleine Wappenkunst|Schroeder, Kleine Wappenkunst]], 21.</ref> Die Verleihung eines Wappens im klassischen Sinne - das Recht ein Wappen zu führen? ist für das Jahr 1127 belegt: Der König von England verlieh damals seinem Schwiegersohn Gottfried Plantagenet einen Schild mit gemalten Löwen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Schroeder, Kleine Wappenkunst|Schroeder, Kleine Wappenkunst]], 28.</ref> Erhalten sind aus dieser Frühzeit der Heraldik vor allem Reitersiegel, die im gesamten europäischen Kulturraum ähnlich ausgestaltet sind. Im Regelfall ist dort der Siegelinhaber in voller Rüstung zu Pferde dargestellt. Über dem Kettenpanzer trägt er eine Tunika, auf dem Kopf einen geschlossenen Topfhelm oder seltener einen offenen Normannenhelm. In einer Hand hält er ein Schild mit dem eigentlichen Wappenbild, in der Hand hält er eine Lanze, an der ein Banner befestigt ist, welche das Wappenbild wiederholen kann. Bei Landesherren ist das Banner dreizipflig und oft gerautet.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Schöntag, Das Reitersiegel als Rechtssymbol und Darstellung des ritterlichen Selbstverständnisses|Schöntag, Das Reitersiegel als Rechtssymbol und Darstellung des ritterlichen Selbstverständnisses]],  
In der heraldischen Fachwelt herrscht überweigend der Konsens, dass das europäische Wappenwesen zur Zeit der Kreuzzüge zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstand, auch wenn es immer wieder Spekulationen über noch ältere Spuren gab, eine davon führt auch nach Wasserburg: Der Begründer der wissenschaftlichen Heraldik, Claude Francois Menestrier, behauptete am Grabmal des Warmund von Wasserburg († um 1010) in St. Emmeram in Regensburg das älteste Wappen Europas, einen Löwen, gesehen zu haben.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Mayaud, Méthodes et réflexions du père Ménestrier et des érudits héraldistes|Mayaud, Méthodes et réflexions du père Ménestrier et des érudits héraldistes]]</ref> Das Grabmal stammt aus wesentlich späterer Zeit und das Löwenwappen war dort schon im späten 18. Jahrhundert nicht mehr zu sehen<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Lipowsky, Von dem Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach|Lipowsky, Von dem Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach]], 196 f.</ref>, so gilt Menestriers Beobachtung als widerlegt, ist aber wohl der Hintergrund für Vermutungen um einen Zusammenhang des Wasserburger Stadtwappens mit den Grafen von Wasserburg. Der Löwe ist dennoch wohl die älteste heraldische Figur: Die erste belegbare Wappenverleihung – das Recht, ein Wappen offiziell führen zu dürfen, genehmigt durch einen Souverän – stammt aus dem Jahr 1127: Der König von England verlieh damals seinem Schwiegersohn Gottfried Plantagenet einen Schild mit gemalten Löwen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Schroeder, Kleine Wappenkunst|Schroeder, Kleine Wappenkunst]], 28.</ref> Erhalten sind aus dieser Frühzeit der Heraldik vor allem Reitersiegel, die im gesamten europäischen Kulturraum ähnlich ausgestaltet sind. Im Regelfall ist dort der Siegelinhaber in voller Rüstung zu Pferde dargestellt. Über dem Kettenpanzer trägt er eine Tunika, auf dem Kopf einen geschlossenen Topfhelm oder seltener einen offenen Normannenhelm. In einer Hand hält er ein Schild mit dem eigentlichen Wappenbild, in der Hand hält er eine Lanze, an der ein Banner befestigt ist, welche das Wappenbild wiederholen kann. Bei Landesherren ist das Banner dreizipflig und oft gerautet.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Schöntag, Reitersiegel als Rechtssymbol|Schöntag, Reitersiegel als Rechtssymbol]], 88.</ref> Einige heute noch verwendete Länderwappen sind zum ersten mal auf solchen Reitersiegeln anzutreffen: Der Thüringer Löwe im Siegel Landgraf Herrmanns von 1209 oder die staufischen drei übereinanderschreitenden Löwen im Siegel Herzog Heinrichs von Schwaben von 1216, die heute im Landeswappen von Baden-Württemberg zu finden sind. Vereinzelt existieren auch Siegel, die nur den Wappenschild enthalten (z.B. der schon erwähnte Rautenschild Herzog Ludwigs des Strengen 1247) oder auch nur die Wappenfigur ohne Schild (Heinrich der Löwe um 1180).<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Schroeder, Kleine Wappenkunst|Schroeder, Kleine Wappenkunst]], 25-26.</ref>  
88.</ref> Einige heute noch verwendete Länderwappen sind zum ersten mal auf solchen Reitersiegeln anzutreffen: Der Thüringer Löwe im Siegel Landgraf Herrmanns von 1209 oder die staufischen drei übereinanderschreitenden Löwen im Siegel Herzog Heinrichs von Schwaben von 1216, die heute im Landeswappen von Baden-Württemberg zu finden sind. Vereinzelt existieren auch Siegel, die nur den Wappenschild enthalten (z.B. der schon erwähnte Rautenschild Herzog Ludwigs des Strengen 1247) oder auch nur die Wappenfigur ohne Schild (Heinrich der Löwe um 1180).<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Schroeder, Kleine Wappenkunst|Schroeder, Kleine Wappenkunst]], 25-26.</ref>  


Sehr häufig treten in den frühen Heraldik die bereits in der Antike verwendeten Machtsymbole Adler und Löwe auf, die auch als Symbol der kaiserlich-staufischen (Adler) oder welfischen Partei (Löwe) interpretiert werden. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts begannen die Landesfürsten, die bislang den Adler führten, eigenständige Wappen zu zeigen, um ihre Unabhängigkeit vom staufischen Reich zu demonstrieren (z.B. Böhmen, Österreich).<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hye, Die Geschichte des Wappens der Grafen von Andechs|Hye, Die Geschichte des Wappens der Grafen von Andechs]], 661.</ref> Bei den Wittelsbachern führt der vom staufischen Kaiser begünstigte und mit dem Herzogtum belehnte Otto I. einen Adler. Ebenso tut es sein Sohn Ludwig I. bis ca. 1220-22, von da an bis zu seinem Tod 1231 zeigt er den Zackenbalken, das vermutliche Stammwappen der Grafen von Scheyern, welches in seiner Form den Rauten nicht unähnlich ist und auch schon für solche gehalten wurde.<ref>Dies wurde seit der Preisfrage der kurfürstl.-bayerischen Akademie der Wissenschaften von 1775 immer wieder kontrovers diskutiert. Letztlich besteht aber bis heute die Vermutung, dass es sich bei dem Zackenbalken um das Stammwappen der Wittelsbacher handelt [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hofmann, Urkundenwesen|Hofmann, Urkundenwesen]]</ref>. Denkbar wäre, dass der zwischen Staufern und Welfen hin und her paktierende Herzog ein eigenständiges Hoheitszeichen präsentieren wollte. Sein Sohn Otto II. der Erlauchte, der über seine Frau Agnes, eine Welfentochter, die Rheinpfalz erbte, führte den Pfälzer Löwen, der dann zum bayerischen Löwen wurde.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Die Entwicklung des wittelsbachischen Wappens|Primbs, Die Entwicklung des wittelsbachischen Wappens]], 264-265.</ref>
Sehr häufig treten in den frühen Heraldik die bereits in der Antike verwendeten Machtsymbole Adler und Löwe auf, die auch als Symbol der kaiserlich-staufischen (Adler) oder welfischen Partei (Löwe) interpretiert werden. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts begannen die Landesfürsten, die bislang den Adler führten, eigenständige Wappen zu zeigen, um ihre Unabhängigkeit vom staufischen Reich zu demonstrieren (z.B. Böhmen, Österreich).<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hye, Wappen der Grafen von Andechs|Hye, Wappen der Grafen von Andechs]], 661.</ref> Bei den Wittelsbachern führt der vom staufischen Kaiser begünstigte und mit dem Herzogtum belehnte Otto I. einen Adler. Ebenso tut es sein Sohn Ludwig I. bis ca. 1220-22, von da an bis zu seinem Tod 1231 zeigt er den Zackenbalken, das vermutliche Stammwappen der Grafen von Scheyern, welches in seiner Form den Rauten nicht unähnlich ist und auch schon für solche gehalten wurde.<ref>Dies wurde seit der Preisfrage (Beleg für die Preisfrage einführen) der kurfürstl.-bayerischen Akademie der Wissenschaften von 1775 immer wieder kontrovers diskutiert. Letztlich besteht aber bis heute die Vermutung, dass es sich bei dem Zackenbalken um das Stammwappen der Wittelsbacher handelt, vgl. [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hofmann, Urkundenwesen|Hofmann, Urkundenwesen]].</ref>. Denkbar wäre, dass der zwischen Staufern und Welfen hin und her paktierende Herzog ein eigenständiges Hoheitszeichen präsentieren wollte. Sein Sohn Otto II. der Erlauchte, der über seine Frau Agnes, eine Welfentochter, die Rheinpfalz erbte, führte den Pfälzer Löwen, der dann zum bayerischen Löwen wurde.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens|Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens]], 264-265.</ref>


===Rauten in der Frühzeit der Heraldik===
===Rauten in der Frühzeit der Heraldik===
Fast ähnlich beliebt wie Adler und Löwe sind Schach<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Geschacht (Heraldik)|Wikipedia, Geschacht (Heraldik)]], [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst|Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst]], 33</ref> und Raute<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Raute (Heraldik)|Wikipedia, Raute (Heraldik)]], [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst|Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst]], 59</ref>, beide sind sich im Aufbau ähnlich. Oft wird der gesamte Schild geschacht oder gerautet, dies lässt wieder an die Schildbespannung der Kreuzritter mit gemusterten orientalischen Stoffen als Ursprung denken. Das Schach, bei dem der Schild mit einer gleichen Anzahl von rechtwinkligen Spaltungs- und Teilungslinien belegt ist, ist als Wappen nachweisbar ab 1141<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Archives départementales de la Somme, Sign. 20H9/3|Archives départementales de la Somme, Sign. 20H9/3]]</ref>. Wohl eine Abwandlung des Schachs sind die Rauten, wobei der wesentliche Unterschied der ungleiche Winkel beim Aufeinandertreffen der Linien ist, die einzelne Raute erhält damit die Form eines Rhombus. Nur in der deutschen Heraldik existieren noch die Figuren Wecken (längliche Rauten)<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Wecke (Heraldik)|Wikipedia, Wecke (Heraldik)]]</ref> und Spindeln (besonders schlanke Form der Wecke)<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Spindel (Heraldik)|Wikipedia, Spindel (Heraldik)]]</ref>. Beim bayerischen Wappen existiert auch in der Fachliteratur keine eindeutige Unterscheidung, die Begriffe Wecken und Rauten werden zumeist synonym verwendet und in der amtlichen Definition des Innenministeriums ist nur von Rauten die Rede.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StMI: Staatssymbole des Freistaates Bayern|StMI: Staatssymbole des Freistaates Bayern]].</ref>
Fast ähnlich beliebt wie Adler und Löwe sind Schach<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Geschacht (Heraldik)|Wikipedia, Geschacht (Heraldik)]]./ [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst|Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst]], 33.</ref> und Raute<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Raute (Heraldik)|Wikipedia, Raute (Heraldik)]]./ [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst|Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst]], 59.</ref>, beide sind sich im Aufbau ähnlich. Oft wird der gesamte Schild geschacht oder gerautet, dies lässt wieder an die Schildbespannung der Kreuzritter mit gemusterten orientalischen Stoffen als Ursprung denken. Das Schach, bei dem der Schild mit einer gleichen Anzahl von rechtwinkligen Spaltungs- und Teilungslinien belegt ist, ist als Wappen nachweisbar ab 1141<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Archives départementales de la Somme, Sign. 20H9/3|Archives départementales de la Somme, Sign. 20H9/3]].</ref>. Wohl eine Abwandlung des Schachs sind die Rauten, wobei der wesentliche Unterschied der ungleiche Winkel beim Aufeinandertreffen der Linien ist, die einzelne Raute erhält damit die Form eines Rhombus. Nur in der deutschen Heraldik existieren noch die Figuren Wecken (längliche Rauten)<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Wecke (Heraldik)|Wikipedia, Wecke (Heraldik)]].</ref> und Spindeln (besonders schlanke Form der Wecke)<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Spindel (Heraldik)|Wikipedia, Spindel (Heraldik)]].</ref>. Beim bayerischen Wappen existiert auch in der Fachliteratur keine eindeutige Unterscheidung, die Begriffe Wecken und Rauten werden zumeist synonym verwendet und in der amtlichen Definition des Innenministeriums ist nur von Rauten die Rede.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Bayerisches Staatsministerium des Innern, Staatssymbole des Freistaates Bayern|Bayerisches Staatsministerium des Innern, Staatssymbole des Freistaates Bayern]].</ref>


Rauten sind aber keine ausschließlich bayerische heraldische Figur. Früh erscheint sie in Frankreich, z.B. beim Haus Craon<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Craon (Adelsgeschlecht)|Wikipedia, Craon (Adelsgeschlecht)]]</ref>. Prominent ist das Rautenwappen der ursprünglich Genuesischen Adelsfamilie Grimaldi, das sich heute im Staatswappen von Monaco befindet.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Coat of Arms of Monaco|Wikipedia, Coat of Arms of Monaco]]</ref> Auch in Deutschland sind Rauten bei mehreren Adelsfamilien vorzufinden, bekannt sind die ''Teckschen Wecken'' einer Seitenlinie der Zähringer Herzöge, nachweisbar ab 1261.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Generallandesarchiv Karlsruhe, Salemer Urkunden 4, Nr. 7053|Generallandesarchiv Karlsruhe, Salemer Urkunden 4, Nr. 7053]].</ref>  
Rauten sind aber keine ausschließlich bayerische heraldische Figur. Früh erscheint sie in Frankreich, z.B. beim Haus Craon<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Craon (Adelsgeschlecht)|Wikipedia, Craon (Adelsgeschlecht)]].</ref>. Prominent ist das Rautenwappen der ursprünglich Genuesischen Adelsfamilie Grimaldi, das sich heute im Staatswappen von Monaco befindet.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Coat of Arms of Monaco|Wikipedia, Coat of Arms of Monaco]].</ref> Auch in Deutschland sind Rauten bei mehreren Adelsfamilien vorzufinden, bekannt sind die ''Teckschen Wecken'' einer Seitenlinie der Zähringer Herzöge, nachweisbar ab 1261.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Generallandesarchiv Karlsruhe, Salemer Urkunden 4, Nr. 7053|Generallandesarchiv Karlsruhe, Salemer Urkunden 4, Nr. 7053]].</ref>  


In Bayern tauchen Rauten erstmals 1180 bei dem niederadeligen Geschlecht der Liebensteiner auf, Ministerialen der Reichsabtei Waldsassen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hefner, Siebmacher Abgestorbener bayerischer Adel 1|Hefner, Siebmacher Abgestorbener bayerischer Adel 1]] 160, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hefner, Altbayerische Heraldik|Hefner, Altbayerische Heraldik]] 115</ref> Nach Hefner<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hefner, Altbayerische Heraldik|Hefner, Altbayerische Heraldik]] 177</ref>stehen sie in einer Wappengemeinschaft mit den Hohenfelsern und Ehrenfelsern, Ministerialen des Hochstifts Regensburg.  Ab 1202/03 zeigen die Wasserburger Grafen Rauten und ab 1209 die  Grafen von Bogen.
In Bayern tauchen Rauten erstmals 1180 bei dem niederadeligen Geschlecht der Liebensteiner auf, Ministerialen der Reichsabtei Waldsassen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hefner/Siebmacher, Abgestorbener bayerischer Adel 1|Hefner/Siebmacher, Abgestorbener bayerischer Adel 1]], 160./ [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hefner, Altbayerische Heraldik|Hefner, Altbayerische Heraldik]], 115.</ref> Nach Hefner<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hefner, Altbayerische Heraldik|Hefner, Altbayerische Heraldik]], 177.</ref>stehen sie in einer Wappengemeinschaft mit den Hohenfelsern und Ehrenfelsern, Ministerialen des Hochstifts Regensburg.  Ab 1202/03 zeigen die Wasserburger Grafen Rauten und ab 1209 die  Grafen von Bogen.


Erwähnt soll an dieser Stelle noch der geschachte Schild im Stammwappen der Sponheimer sein, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachweisbar ist<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Mötsch: Die Siegel der Grafen von Sponheim|Mötsch: Die Siegel der Grafen von Sponheim]] 461 und 467, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Eine Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen|Primbs, Eine Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen]]</ref>, jedoch wegen seiner Schlichtheit auch älteren Ursprungs sein könnte. Es handelt sich um eine ursprünglich rheinländische Familie, von der sich ein bayerischer Zweig als Grafen von Ortenburg abspaltete, der die Pfalzgrafenwürde erlangte und damit im alten Herzogtum Bayern nach dem Herzog selbst an zweiter Stelle in der Adelshierarchie kam.  Diese Familie war mit den mächtigen altbayerischen Grafengeschlechtern verschwägert, so auch mit den Grafen von Wasserburg. Der bayerische Zweig führte jedoch als Wappen einen Panther. Als Inspirationsquelle für Rauten beim bayerischen Adel wäre wohl das Sponheimer Stammwappen auch denkbar.
Erwähnt soll an dieser Stelle noch der geschachte Schild im Stammwappen der Sponheimer sein, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachweisbar ist<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Mötsch, Siegel der Grafen von Sponheim|Mötsch, Siegel der Grafen von Sponheim]], 461 und 467./ [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen|Primbs, Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen]].</ref>, jedoch wegen seiner Schlichtheit auch älteren Ursprungs sein könnte. Es handelt sich um eine ursprünglich rheinländische Familie, von der sich ein bayerischer Zweig als Grafen von Ortenburg abspaltete, der die Pfalzgrafenwürde erlangte und damit im alten Herzogtum Bayern nach dem Herzog selbst an zweiter Stelle in der Adelshierarchie kam.  Diese Familie war mit den mächtigen altbayerischen Grafengeschlechtern verschwägert, so auch mit den Grafen von Wasserburg. Der bayerische Zweig führte jedoch als Wappen einen Panther. Als Inspirationsquelle für Rauten beim bayerischen Adel wäre wohl das Sponheimer Stammwappen auch denkbar.


Die hier dargestellte Vielzahl an Rautenwappen, die noch vor den Wittelsbachern geführt wurde, zeigt zunächst einmal, dass die Rauten nicht einem einzigen Geschlecht zuzuorden sind und eine Herkunftsthese vor allem auch den zeitlichen und örtlichen Verwendungskontext betrachten sollte.
Die hier dargestellte Vielzahl an Rautenwappen, die noch vor den Wittelsbachern geführt wurde, zeigt zunächst einmal, dass die Rauten nicht einem einzigen Geschlecht zuzuorden sind und eine Herkunftsthese vor allem auch den zeitlichen und örtlichen Verwendungskontext betrachten sollte.
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File:Ludwig der Kehlheimer.jpg|Ludwig der Kehlheimer mit Zackenbalken nach Scholliner.
File:Ludwig der Kehlheimer.jpg|Ludwig der Kehlheimer mit Zackenbalken nach Scholliner.
File:Liebenstein.png|Wappen der Liebensteiner, Ministerialen der Reichsabtei Waldsassen, nach Siebmacher.
File:Liebenstein.png|Wappen der Liebensteiner, Ministerialen der Reichsabtei Waldsassen, nach Siebmacher.
File:Siegel Graf Berthold IV. von Bogen .jpg|Siegel Graf Berthold IV. von Bogen (1209) nach Monumenta Boica, Idealisierte Darstellung.
File:Siegel Graf Albert IV. von Bogen (1233) nach Monumenta Boica.jpg|Siegel Graf Albert IV. von Bogen (1233) nach Monumenta Boica.
File:Wappen Hohenfels nach Siebmacher.png|Wappen der Hohenfelser, Ministerialen des Hochstifts Regensburg, nach Siebmacher.
File:Wappen Hohenfels nach Siebmacher.png|Wappen der Hohenfelser, Ministerialen des Hochstifts Regensburg, nach Siebmacher.
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[[Datei:Reiter Dietrich.png|mini|Nachzeichnung des Reitersiegels Graf Dietrichs von Wasserburg.]]
[[Datei:Reiter Dietrich.png|mini|Nachzeichnung des Reitersiegels Graf Dietrichs von Wasserburg.]]


Wie bei den anderen altbayerischen Hochadelsgeschlechtern liegen die Anfänge der Die Grafen von Wasserburg im Dunkeln. Vermutlich handelt es sich um eine Nebenlinie des Hauses Dießen-Andechs, über diese könnte eine Abstammung von den Regensburger Domvögten bestehen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Noichl, Grafen von Wasserburg|Noichl, Grafen von Wasserburg]]</ref> Das Kerngebiet des Herrschaftsbereichs war das Wasserburger Umland mit der Limburg als Herrschaftssitz, der später nach Wasserburg verlegt wurde. Vogteirechte wurden über die Hausklöster Attel und Altenhohenau sowie Rott am Inn ausgeübt. Ergänzt wurde der Herrschaftsbereich durch die  Viechtenstein im Inntal bei Passau (ab 1220 an Passau übertragen) und die Hallgrafschaft in Reichenhall (ab 1220 durch den Herzog von Bayern übernommen). Eine ausführliche Darstellung ist bereits bei Noichl<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Noichl, Grafen von Wasserburg|Noichl, Grafen von Wasserburg]]</ref> erfolgt, hier soll nur ein kurzer Überblick der im Weiteren relevanten genealogischen Daten der letzten beiden Grafen gegeben werden, für die Siegel erhalten sind:
Wie bei anderen altbayerischen Hochadelsgeschlechtern auch, liegen die Anfänge der Grafen von Wasserburg im Dunkeln. Vermutlich handelt es sich um eine Nebenlinie des Hauses Dießen-Andechs, über die eine Abstammung von den Regensburger Domvögten hergeleitet werden kann.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Noichl, Grafen von Wasserburg|Noichl, Grafen von Wasserburg]].</ref> Das Kerngebiet des Herrschaftsbereichs war das Wasserburger Umland mit der Limburg als Herrschaftssitz, der im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts nach Wasserburg verlegt wurde. Vogteirechte wurden über die Hausklöster Attel und Altenhohenau sowie Rott am Inn ausgeübt. Ergänzt wurde der Herrschaftsbereich durch die  Viechtenstein im Inntal bei Passau (ab 1220 an Passau übertragen) und die Hallgrafschaft in Reichenhall (ab 1220 durch den Herzog von Bayern übernommen). Eine ausführliche Darstellung der Genealogie ist bereits bei Noichl<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Noichl, Grafen von Wasserburg|Noichl, Grafen von Wasserburg]].</ref> erfolgt. <br>
Hier kann daher ein kurzer Überblick der im Weiteren relevanten genealogischen Daten der letzten beiden Grafen genügen, für die auch Siegel erhalten sind:


* Dietrich, Graf von Wasserburg († 1206) ∞ vor 1178 Heilika von Wittelsbach (G 1171, † 1200), Tochter von Herzog Otto I., Schwester von Herzog Ludwig I.
* Dietrich, Graf von Wasserburg († 1206) ∞ vor 1178 Heilika von Wittelsbach (G 1171, † 1200), Tochter von Herzog Otto I., Schwester von Herzog Ludwig I.


* Konrad, Graf von Wasserburg († 1259 Offenburg in der Steiermark); ∞ vor 1223 Kunigunde von Hirschberg († 1249), Witwe Bertholds IV., Graf von Bogen. Einziger Sohn Dietrichs, kinderlos schließt er mit Herzog Otto II. von Bayern 1242 einen Erbvertrag.
* Konrad, Graf von Wasserburg († 1259 Offenburg in der Steiermark) ∞ vor 1223 Kunigunde von Hirschberg († 1249), Witwe Bertholds IV., Graf von Bogen.<br>
Als einziger Sohn Dietrichs, schloss er - kinderlos - 1242 mit Herzog Otto II. von Bayern einen Erbvertrag.


===Reitersiegel der Wasserburger Grafen===
===Reitersiegel der Wasserburger Grafen===
Aus mehreren überlieferten Siegeln der letzten beiden Grafen, Dietrich II und Konrads sind drei Wappenfiguren im Urkundenbestand bayerischer und österreichischer Archive überleifert, die in Folgendem im Detail dargestellt werden. Die in den Abbildungen hypothetisch verwendete Tingierung in silbern (weiß) und blau ist durch die weiter unten aufgeführte Überlieferung des Wasserburger Grafenwappens im Wappen von Attel motiviert.
Für Graf Dietrich ist eine Wappenfigur überliefert, für Graf Konrad zwei, von denen eine vermutlich älter ist und im Laufe der Zeit durch die zweite ersetzt wurde. Im Folgenden werden diese im Detail vorgestellt werden. Die in den Abbildungen hypothetisch verwendete Tingierung silbern (weiß) und blau bei den Rautenwappen ist durch die [[Bayerisches_Rautenwappen_und_Wasserburg#Das_Wappen_des_Klosters_Attel_in_der_Nachfolge_des_Wasserburger_Rautenwappens|unten aufgeführte]] Überlieferung des Wasserburger Grafenwappens im Wappen des Klosters Attel begründet.
Die vorgenommene Typisierung wird durch den schlechten Erhaltungszustand des großteils der noch vorhandenen Siegel erschwert.<ref>In bayerischen und österreichischen Archiven sind 44 Urkunden der Grafen von Wasserburg erhalten, an 39 davon sind noch Siegel oder Siegelreste vorhanden, siehe[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Dietz, Auswertung der Siegel der Grafen von Wasserburg|Dietz, Auswertung der Siegel der Grafen von Wasserburg]].</ref>


====Versuch einer Typisierung====
====Das volle Rautenwappen Graf Dietrichs von Wasserburg====
Eine Typisierung kann nur ein Versuch bleiben, da die Siegel in den meisten Fällen schlecht erhalten sind. In bayerischen und österreichischen Archiven sind 44 Urkunden der Grafen von Wasserburg erhalten, an 39 davon sind noch Siegel oder Siegelreste vorhanden. Ein Vergleich der noch gut erhaltenen Siegel im BayHStA lässt für Dietrich ein- und für Konrad zwei Typare erkennen. Bei Konrad gibt es möglicherweise um 1234 einen Wechsel oder es werden beide Siegel gleichzeitig geführt. Bei den eingesehenen und noch erkennbaren Siegeln zeigt sich einer Häufung des Wappens mit dem Schrägbalken und den drei Sternen vor 1234, danach eine häufigere Verwendung des Rautenwappens.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Dietz, Auswertung der Siegel der Grafen von Wasserburg|Dietz, Auswertung der Siegel der Grafen von Wasserburg]]</ref>
 
====Das volle Rautenwappen====
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File:Volles Rautenwappen der Grafen von Wasserburg.png|Volles Rautenwappen der Grafen von Wasserburg.
File:Volles Rautenwappen der Grafen von Wasserburg.png|Volles Rautenwappen der Grafen von Wasserburg.
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Das Wappen Graf Dietrichs ist ein gerauteter Schild oder bei genauerer Betrachtung (siehe Nachzeichnung des Reiters in der Abbildung): Schild mit 10 Rauten in der Anordnung 3:3:3:1 belegt. Insgesamt sind für Dietrich vier Siegel im BayHStA vorhanden <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Schäftlarn 3|BayHStA, Urkunden Schäftlarn 3]],[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Rott am Inn 10|BayHStA, Urkunden Rott am Inn 10]],[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Attel 9|BayHStA, Urkunden Attel 9]],[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Attel 10|BayHStA, Urkunden Attel 10]]</ref>, die alle vom gleichen Typar stammen. Deren besterhaltenes Exemplar<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Attel 10|BayHStA, Urkunden Attel 10]]</ref> zeigt den beschriebenen Rautenschild.
Graf Dietrich, bekleidet in hochmittelalterlicher Rüstung mit einem Nasal- oder Normannenhelm präsentiert eine gerautete Fahnenlanze und einen gerauteten Dreiecksschild. Die Ähnlichkeit zum heutigen bayerischen Rautenwappen ist schon unverkennbar. Das Siegel ist an insgesamt vier Urkunden im bayerischen Hauptstaatsarchiv erhalten<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Schäftlarn 3|BayHStA, Urkunden Schäftlarn 3]], [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Rott am Inn 10|BayHStA, Urkunden Rott am Inn 10]], [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Attel 9|BayHStA, Urkunden Attel 9]] und [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Attel 10|BayHStA, Urkunden Attel 10]].</ref>, von denen jedoch nur eines so gut erhalten ist<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Attel 10|BayHStA, Urkunden Attel 10]].</ref>, dass hier die Rauten erkennbar sind. Beim Größenvergleich wird aber klar, dass alle vier Siegel vom gleichen Typar stammen, man kann also davon ausgehen, dass Graf Dietrich nur dieses eine Wappen geführt hat. Bei genauerer Betrachtung der Nachzeichnung des Reiters ist der Schild mit zehn Rauten in der Anordnung 3:3:3:1 belegt. Da die frühen Wappen noch nicht bis ins kleinste Detail definiert waren, kann man wohl eher davon ausgehen, dass die Anordnung willkürlich gewählt war und einfach ein gerauteter Schild dargestellt wurde.
 
Warum hat nun Graf Dietrich das Rautenwappen angenommen oder, was nicht belegbar ist, von seinen Vorfahren übernommen? Die Rautenwappen der Regensburger Ministerialengeschlechter sind möglicherweise artverwandt, wie bei anderen bayerischen Dynasterngeschlechtern führt eine genealogische Spur in den Raum der alten bajuwarischen Stammeshauptstadt Regensburg, nämlich über die Domvögte von Regensburg. Es könnte also sein, dass die Rauten ein Hinweis auf die Regensburger Abstammung sind oder ein Hinweis auf die Beziehung zu der Stadt, in der auch Graf Warmund beigesetzt wurde. Dietrich war aber auch Kreuzzugsteilnehmer und wie oben dargestellt, sind die Rauten ein in Frankreich sehr früh vorkommendes Wappenelement. Eventuell hat er sie dort gesehen und übernommen, vielleicht sind sie so wie auch der Normannenhelm, der in deutschen hochmittelalterlichen Reitersiegeln eher selten vorkommt, ebenso ein Zeichen seiner Vorliebe für französischen Mode? Oder es handelt sich um eine Abwandlung des Sponheimer Schachs, denn es ist eine genealogische Beziehung zu den Grafen von Sponheim vorhanden. Dies sind aber Hypothesen, für die keine direkten Nachweise erbracht werden können.


Wenn man über mögliche Beweggründe für die Wahl des Rautenwappens spekulieren möchte, dann käme in Betracht eine Inspiration durch den geschachten Schild der Sponheimer Vorfahren. Ähnlich wie Hefner eine Wappengemeinschaft von Rauten in der Oberpfalz sieht (Liebenstein-Ehrenfels-Hohenfels) wäre auch eine Wappengemeinschaft Bogen-Wasserburg nicht völlig unmöglich, da verwandtschaftliche Beziehungen vorhanden waren.<ref>Ein möglicher Bezugspunkt könnte die gemeinsame Abstammung von den Domvögten von Regensburg sein, deren Verwandtschaft zu den Grafen von Bogen aber in der neueren Forschung bezweifelt wird, siehe [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Slowioczek, Die Grafen von Bogen|Slowioczek, Die Grafen von Bogen]]</ref> Möglicherweise ist das Wappenmotiv ein Verweis auf den Regensburger Raum wg. der Ähnlichkeit zur Wappengemeinschaft  Liebenstein-Ehrenfels-Hohenfels.


====Der Schrägbalken mit drei Sternen====
====Der Schrägbalken mit drei Sternen====
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Für Graf Konrad sind insgesamt 34 Siegel mehr oder weniger gut erhalten, die sich aber aufgrund des Größenunterschieds zwei Typaren zuordnen lassen. Auf dem vermutlich Älteren ist der Graf mit einem zeitgemäßen Topfhelm dargestellt, in einer Hand ein Schwert schwingend, in der anderen einen Schild, der mit einem rechten Schrägbalken belegt ist. Nur ein Siegel ist so gut erhalten, dass man auf dem Schrägbalken noch drei fünfzackige Sterne erkennt. An einem Metallabguss aus dem bayerischen Hauptstaatsarchiv von Ende des 19. Jhdts sind diese noch ganz genau zu erkennen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen|Primbs, Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen]]./ [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Metallabgussammlung A 6210|BayHStA, Metallabgussammlung A 6210]], Abguss nach [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Urkunden Hochstift Regensburg 45|BayHStA, Urkunden Hochstift Regensburg 45]].</ref> Im Vergleich mit zeitgenössischen Wappen fällt auf, das dieses Wappen Konrads dem der Burggrafen von Regensburg sehr ähnelt, die einen rechten Schrägbalken mit  drei Rosen führten.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Burggraf von Regensburg|Wikipedia, Burggraf von Regensburg]].</ref> Wie bei Graf Dietrich könnte dies ein Hinweis auf eine Verwandtschaft oder Herkunft sein.


Schild mit einem rechten Schrägbalken, dieser mit drei fünfzackigen Sternen belegt. Der Nachweis für die drei Sterne kann mittels eines Metallabgusses aus dem BayHStA erbracht werden <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Eine Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen|Primbs, Eine Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen]], [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Metallabgussammlung A 6210|BayHStA, Metallabgussammlung A 6210]] Abguss nach [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA Urkunden Hochstift Regensburg 45|BayHStA Urkunden Hochstift Regensburg 45]]</ref>. Es scheint das erste Wappen Konrads zu sein, welches er vermehrt in seinen frühen Regierungsjahren bis ca. 1234 führt und dann vermehrt den Schild mit drei Rauten zeigt. Möglich, dass ein Politikwechsel die Motivation für die Wahl eines anderen Wappenbildes war. Betrachtet man die Häufung des Schrägbalkenwapens nach Adressaten, so fällt hier auf, dass es häufiger auf Urkunden für externe Adressaten verwendet wird, z.B. das Domkapitel oder Hochstift von Passau, St. Peter in Salzburg. Das Rautenwappen wird hingegen vermehrt auf Urkunden für bevogtete Klöster verwandt: Attel, Rott am Inn, Altenhohenau. Wie oben beschrieben, ist aber ob des schlechten Erhaltungszustandes der meisten Siegel eine klare Abgrenzung nicht möglich.
Klemens Stadler <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Klemens Stadler|Wikipedia, Klemens Stadler]]</ref>, in der Nachkriegszeit am Bayerischen Hauptstaatsarchiv zuständig für Heraldik und Herausgeber einer Buchreihe zu den Deutschen Ortswappen, hat die Sterne im Wappen Graf Konrads etwas leichtfertig ebenfalls als Rosen interpretiert und in Zusammenhang mit dem Stadtwappen von Rosenheim gebracht <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Stadler, Wappen und Siegel der Stadt Rosenheim|Stadler, Wappen und Siegel der Stadt Rosenheim]]</ref>, eine Legende, die sich bis heute hält, so z.B. im Internetauftritt der Stadt Rosenheim <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Rosenheim, Stadtwappen und Logo|Rosenheim, Stadtwappen und Logo]]</ref>. Rosenheim geht wohl auf eine Burg im Besitz der Grafen von Wasserburg zurück <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Burg Rosenheim|Wikipedia, Burg Rosenheim]]</ref>, aber das Stadtwappen ist doch eher ein redendes Wappen und wurde auch viel später  zum ersten mal verwendet.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Rosenheim, Stadtwappen und Logo|Rosenheim, Stadtwappen und Logo]]</ref> Zudem sind die Sterne auf dem Siegel eindeutig als solche zu erkennen.


Es fällt auf, dass das Wappen in seiner Komposition dem der Babonen, Burggrafen von Regensburg, stark ähnelt. Diese führten in goldenem Schild einen roten Schrägbalken mit drei silbernen Rosen belegt.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wikipedia, Burggraf von Regensburg|Wikipedia, Burggraf von Regensburg]]</ref> Auch hier ist – rein spekulativ - wieder ein Hinweis auf den Regensburger Raum möglich, wie schon bei den Rauten Graf Dietrichs.


====Das reduzierte Rautenwappen====
====Das reduzierte Rautenwappen====
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Graf Konrad führt ab can 1234 einen mit drei Rauten belegten Dreieckschild in seinem Reitersiegel.<ref>Am besten erkennbar auf [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Metallabgussammlung A 6211|BayHStA, Metallabgussammlung A 6211]], Nachweis des zweiten Typars Graf Konrads</ref> Die drei Rauten sind wahrscheinlich eine Reduktion des Rautenschilds seines Vaters auf eine Rauten-Dreierreihe, gemäß dem heraldischen Prinzip pars pro toto1 und damit  eine Vereinfachung des ursprünglichen Rautenwappens, wie sie auch schon bei der Wappengemeinschaft Liebenstein-Ehrenfels-Hohenfels praktiziert. Auch nach seiner Entmachtung 1247 stellte Konrad noch Urkunden aus, an denen das Siegel jedoch entweder nicht erhalten oder nicht zuordenbar ist. Wie weiter unten beschrieben wurde das Wappen Konrads ab etwa 1440 vom Kloster Attel wieder aufgegriffen und weitergeführt.
Konrad führte dieses Wappen bis ca. 1234 und wechselte dann vermehrt – jedoch nicht ausschließlich – auf ein Wappen mit drei Rauten.<ref>Am besten erkennbar auf [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#BayHStA, Metallabgussammlung A 6211|BayHStA, Metallabgussammlung A 6211]], Nachweis des zweiten Typars Graf Konrads.</ref> Die Siegel mit beiden Wappen – Schrägbalken und Rauten – sehen sehr ähnlich aus, beides mal ist ein schwertschwingender Reiter mit Topfhelm dargestellt. Der Unterschied besteht in Details, z.B. liegt beim … Siegel das Schwert enger am Helm, vor allem aber im Größenunterschied. Damit lassen sich auch die schlecht erhaltenen Siegel klassifizieren. Die drei Rauten sind wahrscheinlich eine Reduktion des Rautenschilds seines Vaters auf eine Rauten-Dreierreihe, gemäß dem heraldischen Prinzip ''pars pro toto'' (ein Teil steht für das Ganze). Damit handelt es sich um eine Vereinfachung des ursprünglichen Rautenwappens, wie sie auch schon bei der Wappengemeinschaft Liebenstein-Ehrenfels-Hohenfels praktiziert wurde. Auch nach seiner Entmachtung 1247 stellte Konrad noch Urkunden aus, an denen das Siegel jedoch entweder nicht erhalten oder nicht zuordenbar ist.


==Theorie der Herkunft des Wittelsbacher Rautenwappens aus Wasserburg==
Möglich, dass ein Politikwechsel die Motivation für die Wahl eines anderen Wappenbildes war. Betrachtet man die Häufung des Schrägbalkenwappens nach Adressaten, so fällt auf, dass es häufiger auf Urkunden für externe Adressaten verwendet wurde, z.B. für das  z.B. für das Domkapitel oder Hochstift von Passau oder für St. Peter in Salzburg. Das Rautenwappen wurde hingegen bevorzugt auf Urkunden für die bevogteten Klöster  Attel, Rott am Inn und Altenhohenau, verwendet.  
===Theorien der Rautenwappenforschung===
Bis in die frühe Neuzeit hinein gab es keine Deutungsversuche zum Wittelsbacher Rautenwappen. In den Geschichtswerken von Aventinus und Hundt findet man nichts zu einer Herkunftstheorie. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt dann eine Diskussion, die 1775 in der Preisfrage der kurfürstlich-bayerischen Akademie der Wissenschaften gipfelt: ''Was hatten die Pfalzgrafen von Scheyren und Wittelsbach für ein Geschlechts- Wappen? Warum haben Sie, Als Herzoge, die Wecken und den Löwen wechselweise, die Herzoge in Niederbayern aber zu diesen noch ein Panterthier angenommen? '' Als Preis war wie üblich eine Goldmedaille ausgelobt.


Drei renommierte Historiker und Heraldiker antworten, wobei sich die Ausführungen im Wesentlichen auf die Abbildungen in den Monumenta Boica beziehen, welche aber auch falsche Darstellungen enthalten und überinterpretiert werden (z.B. Schraffur bei den Grafen von Wasserburg, die als rote Farbe interpretiert wird. Die Siegel sind nachweislich nicht bemalt.): Die Goldmedaille erhält der Reichersberger Augsutinerchorherr P. Augustin Maximilian Lipowsky, der die Rauten für ein bayerisches Stammeswappen hält, das schon von den Welfenherzögen verwendet wurde.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Lipowsky, Von dem Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach|Lipowsky, Von dem Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach]]</ref> Ähnlich sieht es der Jurist und Heraldiker Johann Martin Maximilian Einzinger von Einzing, der die Rauten für das Staats- oder Gebietswappen von Niederbayern hält, im Gegensatz zum oberbayerischen ungekrönten Löwen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Einzinger, Historische Wappengallerie|Einzinger, Historische Wappengallerie]]</ref> Einzinger hat immerhin einen Sachpreis erhalten. Bei der Preisfrage leer ausgegangen ist P. Hermann Scholliner, Professor an den Universitäten Ingolstadt und Salzburg und  Oberalteicher Benediktinerpater. Er vermutet eine Abstammung von den Grafen von Bogen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Scholliner, Historisch-Heraldische Abhandlung|Scholliner, Historisch-Heraldische Abhandlung]]</ref> Die Rauten der Wasserburger Grafen sind auch bekannt und werden von allen drei Autoren erwähnt.
==Die Rautenwappenforschung - ein Literaturüberblick==
Bis in die frühe Neuzeit hinein gab es keine Deutungsversuche zum Wittelsbacher Rautenwappen. In den Geschichtswerken von Aventinus und Hundt findet man nichts zu einer Herkunftstheorie. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt dann eine Diskussion, die 1775 in der Preisfrage der kurfürstlich-bayerischen Akademie der Wissenschaften gipfelt: ''Was hatten die Pfalzgrafen von Scheyren und Wittelsbach für ein Geschlechts- Wappen? Warum haben Sie, Als Herzoge, die Wecken und den Löwen wechselweise, die Herzoge in Niederbayern aber zu diesen noch ein Panterthier angenommen?''<ref> Neben der Veröffentlichung der Schrift des Gewinners der Preisfrage, [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Lipowsky, Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach|Lipowsky, Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach]], berichtet auch [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Einzinger, Historische Wappengallerie|Einzinger, Historische Wappengallerie]] darüber</ref> Als Preis war wie üblich eine Goldmedaille ausgelobt.


Damit ist das Thema aber nicht abgeschlossen, die Diskussion zieht sich bis ans Ende des darauf folgenden Jahrhunderts und fast jeder bayerische Heraldiker hat sich in eine der schon bei der Preisfrage aufgetanen Richtungen geäußert. Noch im neuen Siebmacher, dem Standardwerk der deutschen Heraldik bis heute, ist von den Grafen von Bogen keine Rede und es wird eine ähnliche These wie bei Lipowsky und Einzinger formuliert.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hefner, Siebmacher Soveraine der deutschen Bundesstaaten 1|Hefner, Siebmacher Soveraine der deutschen Bundesstaaten 1]]</ref>  
Drei renommierte Historiker und Heraldiker antworteten, wobei sich ihre Ausführungen im Wesentlichen auf die Abbildungen in den Monumenta Boica bezogen, welche aber falsche Darstellungen enthalten und überinterpretiert wurden (z.B. Schraffur bei den Grafen von Wasserburg, die als rote Farbe interpretiert wird. Die Siegel sind jedoch nachweislich nicht bemalt.): Die Goldmedaille erhielt der Reichersberger Augsutinerchorherr P. Augustin Maximilian Lipowsky, der die Rauten für ein bayerisches Stammeswappen hielt, das schon von den Welfenherzögen verwendet worden sei.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Lipowsky, Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach|Lipowsky, Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach]].</ref> Ähnlich sah es der Jurist und Heraldiker Johann Martin Maximilian Einzinger von Einzing, der die Rauten für das Staats- oder Gebietswappen von Niederbayern hielt, im Gegensatz zum oberbayerischen ungekrönten Löwen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Einzinger, Historische Wappengallerie|Einzinger, Historische Wappengallerie]].</ref> Einzinger erhielt für diese Erörterung einen Sachpreis. Bei der Preisfrage leer ausgegangen ist P. Hermann Scholliner, Professor an den Universitäten Ingolstadt und Salzburg und Oberalteicher Benediktinerpater.<ref> siehe [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Einzinger, Historische Wappengallerie|Einzinger, Historische Wappengallerie]]</ref> Er vermutete eine Abstammung von den Grafen von Bogen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Scholliner, Historisch-Heraldische Abhandlung|Scholliner, Historisch-Heraldische Abhandlung]].</ref> Die Rauten der Wasserburger Grafen waren den Autoren auch bekannt und wurden von allen drei erwähnt.


Am Ende scheint sich die Abstammungsthese doch durchzusetzen. Die Rauten der Grafen von Wasserburg finden aber immer noch gleichrangig mit den Rauten der Grafen von Bogen Erwähnung, bei Mayer von Mayerfels 1880<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Mayer von Mayerfels,  Der Wittelsbacher Stamm-, Haus- u. Geschlechtswappen|Mayer von Mayerfels,  Der Wittelsbacher Stamm-, Haus- u. Geschlechtswappen]]</ref>, Primbs 1883<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Die Entwicklung des wittelsbachischen Wappens|Primbs, Die Entwicklung des wittelsbachischen Wappens]]</ref> und Hupp 1912<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hupp, Wappen und Siegel der deutschen Städte, Flecken und Dörfer|Hupp, Wappen und Siegel der deutschen Städte, Flecken und Dörfer]]</ref>. Bei Jochner 1894<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen|Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen]]</ref>, dem letzten Generaldirektor des Bayer. Reichsarchiv zur Zeit der Monarchie und seinerzeit in Bayern wohl führenden Autorität in Sachen Heraldik, wird sogar ausschließlich die Wasserburger These vertreten und eine ähnliche Begründung wie in diesem Beitrag gegeben.
Damit war das Thema aber nicht abgeschlossen, die Diskussion zog sich bis ans Ende des darauf folgenden Jahrhunderts und fast jeder bayerische Heraldiker hat sich fortan in eine der schon bei der Preisfrage aufgetanen Richtungen geäußert. Noch im neuen Siebmacher, dem Standardwerk der deutschen Heraldik bis heute, ist von den Siegeln der Grafen von Bogen als Vorlage für das Bayerische Rautenwappen keine Rede; hier wird wird eine ähnliche These wie bei Lipowsky und Einzinger formuliert.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hefner/Siebmacher, Soveraine der deutschen Bundesstaaten 1|Hefner/Siebmacher, Soveraine der deutschen Bundesstaaten 1]].</ref>  


Ein Beweis für die ausschließliche Abstammung von den Bogener Grafen konnte auch später nicht erbracht werden, die Diskussion des Themas in der heraldischen Literatur ebbt aber ab. Nach dem Ende der Monarchie wird vermutlich auch das Interesse an Heraldik nachgelassen haben. Ein genauer Zeitpunkt für die alleinige Übernahme der Bogener These durch den bayerischen Staat kann nicht zweifelsfrei ausgemacht werden, wird aber wohl nicht vor der Annahme des neuen Staatswappens 1950<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wappengesetz Bayern|Wappengesetz Bayern]]</ref> zu verorten sein.<ref>Nach [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Rattelmüller, Das Wappen von Bayern|Rattelmüller, Das Wappen von Bayern]] war [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Stadler, Das bayer. Staatswappen|Stadler, Das bayer. Staatswappen]]der entscheidende Aufsatz, wobei dieser als Begründung für die Bogener These nur in einem Halbsatz apokryphe Wappenschilde der Grafen von Bogen aus dem 16. Jahrundert aufführt und auch sonst nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügt (kein Quellenverweise, falsche Angaben zur erstmaligen Verwendung der Rauten bei den Wittelsbachern)</ref> Zumeist ohne Angabe von Quellen <ref>So z.B. bei [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Volkert, Wappen der Wittelsbacher|Volkert, Wappen der Wittelsbacher]] und [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Volkert, Die Wappenzeichen des Landes Bayern|Volkert, Die Wappenzeichen des Landes Bayern]]</ref> wird die Bogener These dann in der neueren Fachliteratur als historische Tatsache dargestellt und ist damit heute selbst zum Teil des bayerischen Nationalsymbolds geworden.


===Statistische Auswertung der frühen Wittelsbacher Rauten===
Am Ende scheint sich die Abstammungsthese doch durchzusetzen. Die Rauten der Grafen von Wasserburg finden aber immer noch gleichrangig mit den Rauten der Grafen von Bogen Erwähnung, zum Beispiel bei Mayer von Mayerfels 1880<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Mayer von Mayerfels, Wittelsbacher Stamm-, Haus- u. Geschlechtswappen|Mayer von Mayerfels, Wittelsbacher Stamm-, Haus- u. Geschlechtswappen]].</ref>, Primbs 1883<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens|Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens]].</ref> und Hupp 1912<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hupp, Wappen und Siegel|Hupp, Wappen und Siegel]].</ref>.
Hinsichtlich einer eventuellen Übernahme des Rautenwappens muss die Verwendung bei den Wittelsbachern genauer betrachtet werden. Dafür ist eine statistische Auswertung der Urkunden Ludwigs I. zwischen der erstmaligen Verwendung 1247 und der Landesteilung 1255<ref>Landesteilung als Endpunkt deswegen, weil dadurch auch die Verwaltung umgegliedert wurde und sich entsprechend die Ausstellungsorte nach den Verwaltungssitzen richten (hauptsächlich Landshut/Niederbayern, München/Oberbayern). Auch war zu dem Zeitpunkt das Rautenwappen schon voll etabliert.</ref> für den bayerischen Landesteil (Erstellungsort und/oder Empfänger im bayerischen Landesteil) hilfreich. Der 19-jährige Herzogssohn Ludwig beginnt ab 1247 Urkunden auszustellen und mit dem eingangs erwähnten Rautensiegel zu versehen. Von 1247 bis 1290 verwendet er das Siegel mit dem gerauteten Dreiecksschild, ab 1260 zusätzlich ein Reitersiegel. Ab 1254 verwendet auch sein jüngerer Bruder Heinrich ein Siegel mit gerautetem Dreieckschild, ab 1259 ebenfalls ein Reitersiegel ähnlich seinem Bruder.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Die Entwicklung des wittelsbachischen Wappens|Primbs, Die Entwicklung des wittelsbachischen Wappens]]</ref>  


Vom Tod Ottos II. des Erlauchten 1253 bis 1255 regieren die Brüder das Herzogtum gemeinsam, danach teilen sie es in Pfalz-Oberbayern (Ludwig) und Niederbayern (Heinrich). Die Grenzen entsprechen jedoch noch nicht denen der heutigen Regierungsbezirke. Nachfolgende Tablle enthält eine Übersicht über Ausstellungsdatum, Ausstellungsort und Empfänger, die Urkunden können in drei Gruppen unterteilt werden:<ref>Basis für unten stehende Übersicht ist [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hofmann, Urkundenwesen|Hofmann, Urkundenwesen]]</ref>   
Hervorzuheben im Bezug auf Wasserburg ist die Aussage des [[Bayerisches_Rautenwappen_und_Wasserburg#Einführung|Eingangs erwähnten]] Georg von Jochner. Der Archivar war von 1916 bis 1922 Generaldirektor des Allgemeinen Reichsarchivs in München, der Vorgängerinsitution des Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Aufgrund seiner Verdienste wurde ihm im September 1918 das Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone verliehen, verbunden mit dem persönlichen Adel,  dadurch war er auch einer der letzten Zivilisten, der von König Ludwig III. In den Adelsstand erhoben wurde. Jochner war zu seiner Zeit die in Bayern führende Autorität in Sachen Heraldik. In einem Aufsatz von 1894 schreibt er, dass das Rautenwappen eindeutig von den Wasserburger Grafen übernommen wurde,<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen|Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen]].</ref> dies wird in [[Bayerisches_Rautenwappen_und_Wasserburg#Zeitlicher Kontext: Die Eroberung von Wasserburg 1247|im Folgenden]] weiter ausgeführt.


* Urkunden Ottos und  Ludwigs: Gerade in seinen späten Regierungsjahren treten seine Söhne als Mitaussteller der Urkunden auf.  
Trotzdem setzt sich am Ende die Bogener These durch. Nach dem Ende der Monarchie wird vermutlich auch das Interesse an Heraldik nachgelassen haben. Ein genauer Zeitpunkt für die alleinige Übernahme der Bogener These durch den bayerischen Staat kann nicht zweifelsfrei ausgemacht werden, wird aber wohl im Umfeld der Annahme des neuen Staatswappens 1950<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Wappengesetz Bayern|Wappengesetz Bayern]].</ref> zu verorten sein. Der [[Bayerisches_Rautenwappen_und_Wasserburg#Der Schrägbalken mit drei Sternen|oben]] bereits erwähnte Klemens Stadler schreibt in seinem wohl für die Übernahme der Bogener These durch offizielle Stellen maßgeblichen Aufsatz von 1949:<ref>Nach [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Rattelmüller, Das Wappen von Bayern|Rattelmüller, Das Wappen von Bayern]] war [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Stadler, Das bayer. Staatswappen|Stadler, Das bayer. Staatswappen]] der entscheidende Aufsatz für die Übernahme der Bogener These durch offizielle Stellen und Wissenschaft</ref>
* Gemeinsame Urkunden der Herzogsbrüder während der gemeinsamen Herrschaft
* Urkunden, die Ludwig alleine ausstellt
     
Es fällt auf, dass vor allem die von Ludwig alleine ausgestellten Urkunden im Raum Wasserburg zu verorten sind. Die Urkunden, in denen Ludwig nur Mitaussteller ist, werden am bayerischen Regierungssitz Landshut oder in Verwaltungssitzen nahe dem Empfänger ausgefertigt. Im ehemaligen Machtbereich der Bogener Grafen wurde keine einzige Urkunde ausgestellt. Wenn nun der Rautenschild ein machtpolitisches Symbol war, dann ist auf Basis des Urkundenbestandes am ehesten ein Zusammenhang zu Wasserburg zu vermuten.


{| class="wikitable"
''Es besteht wohl kein Zweifel mehr, dass die Wecken dem Wappen der 1242 ausgestorbenen und auf Grund Versippung von den Wittelsbachern beerbten Grafen von Bogen a. Donau entstammen. ... Es lag nahe, an seiner Stelle das den nicht unbedeutendenLändergewinn an der Donau versinnbildende Wappen der verschwägerten Grafen nach deren Erlöschen zum herzoglichen Wahrzeichen zu erheben.'' <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Stadler, Das bayer. Staatswappen|Stadler, Das bayer. Staatswappen]] </ref>
|+ Urkunden Otto II. und Ludwig
|-
! Ausstellungsjahr
! Ausstellungsort
! Empfänger
|-
|1250
|Vehlburg (Obpf.)
|Kloster Kumbd (Hunsrück)
|-
|1252
|Nabburg
|Kloster Schönau (Odenw.)
|-
|1251
|Landshut
|Kloster Baumburg
|-
|1253
|Landshut
|Kloster Seligenthal
|-
|}


{| class="wikitable"
Als Nachweis weist er lediglich auf apokryphe (d.h. in viel späterer Zeit entstandene und ihnen zugeschriebene) Rautenwappen der Grafen von Bogen in Windberg und Oberalteich, deren Hausklöstern, hin. Diese wurden auch schon von Scholliner erwähnt, jedoch nicht als Hauptanhaltspunkt für seine These verwendet. Der Zeitpunkt der Entstehung dieser Wappen liegt  über 300 Jahre nach dem Aussterben der Grafen von Bogen. Es soll hier etwas ausführlicher darauf eingegangen werden, um die Zweifelsfreiheit in Stadlers Beweisführung zu relativieren:
|+ Urkunden Ludwig und Heinrich als Herzöge gemeinsam
|-
! Ausstellungsjahr
! Ausstellungsort
! Empfänger
|-
|1253
|Straubing
|Bischof von Regensburg
|-
|1254
|Erharting (Obb.)
|Bischof von Salzburg
|-
|1254
|Geltolfing
|Berthold von Schiltberg
|-
|1254
|Nabburg
|Hochstift Bamberg
|-
|1255
|Landshut
|Hochstift Bamberg
|-
|}


{| class="wikitable"
* Am Hochgrab der Klostergünder in Oberalteich, der Regensburger Domvögte Friedrich und Aswin, die fälschlich zu den Grafen von Bogen gerechnet wurden, ist zu Füßen des Grafen Aswin ein Rautenschild dargestellt.
|+ Urkunden Ludwig alleine bis 1255
* Wappenschilde der Grafen von Arco als Rundschilde in der Klosterkirche, mit einer Umschrift, die das Wappen den Grafen von Bogen zuschreibt. Dieses Wappen ist auch als Allianzwappen mit dem des Klosters an einem Klostertor dargestellt, datiert auf 1543.
|-
* Das Kloster Windberg, zweites Hauskloster der Grafen von Bogen, führte ab Mitte des 16. Jahrhunderts ebenfalls ein Rautenwappen, belegt mit einem goldenen Glevenrad
! Ausstellungsjahr
! Ausstellungsort
! Empfänger
|-
|1247
|Hartmannsberg (Gft. Wasserburg)
|Kloster Seeon
|-
|1254
|Frauenchiemsee
|Kloster Frauenchiemsee
|-
|1255
|Wasserburg
|Kloster Altenhohenau
|-
|1255
|Wasserburg
|Kloster Raitenhaslach
|-
|}


===Mögliche Motivation Ludwigs II. zur Übernahme der Wasserburger Rauten===
Auch bei Historikern in jüngerer Zeit <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Volkert, Wappen der Wittelsbacher|Volkert, Wappen der Wittelsbacher]] und [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Volkert, Die Wappenzeichen des Landes Bayern|Volkert, Die Wappenzeichen des Landes Bayern]].</ref> wird die Bogener These dann in der neueren Fachliteratur als historische Tatsache dargestellt und ist damit heute selbst zum Teil des bayerischen Nationalsymbols geworden.
Die hier dargestellte These folgt im Wesentlichen Jochner.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen|Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen]]</ref> Der Wasserburger Feldzug gegen Konrad ist für den junden Ludwig die erste militärische Aktion, die er alleine anleitet, gewissermaßen seine Bewährungsprobe. Konrad erweist sich als zäher Gegner, die Belagerung dauert 17 Monate. Als er die Stadt am 11. November 1247<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hiebl, Konrad von Wasserburg|Hiebl, Konrad von Wasserburg]]</ref> endlich erobert und damit Konrad von Wasserburg entmachtet, eignet er sich sogleich dessen Rautenschild an und beginnt sogleich Urkunden im Wasserburger Umfeld damit zu siegeln. Die eingangs genannte Urkunde aus dem Kloster Seeon ist auch die erste von Ludwig ausgestellte Urkunde. Zum Ort seines ersten Triumphes hat Ludwig doch ein besonderes Verhältnis, da die Urkunden, die er alleine ausstellt, alle im Umfeld von Wasserburg zu verorten sind. Auf der Burg Wasserburg hält er auch den letzen Staufer Konradin, ein Faustpfand seiner pro-staufischen Politik. Er hat sich wohl entsprechend häufig auch selbst dort aufgehalten.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Inninger, Konradin|Inninger, Konradin]]</ref>


Wenn auch nicht direkt nachweisbar, so ist es dadurch doch sehr wahrscheinlich, dass sein Wappen in Zusammenhang mit den Rauten der Grafen von Wasserburg steht, alleine Ludwigs Beziehung zu der Stadt spräche dafür, während ein Kontakt zu seinen Bogener schon sehr entfernt Verwandten historisch nicht belegt ist. Sehr schnell jedenfalls entwickeln sich die Rauten zum Symbol für Bayern und die Wittelsbacher schlechthin.
==Das bayerische Rautenwappen kommt aus Wasserburg – vier Gründe==
===Zeitlicher Kontext: Die Eroberung von Wasserburg 1247===
[[Datei:Siegel Ludwig der Strenge 1247.jpg|mini|Siegel Herzog Ludwig II. der Strenge: Erstmalige Verwendung eines Rautenschildes durch die Wittelsbacher an einer Urkunde ausgestellt auf der ehem. Wasserburgischen Burg Hartmannsberg, 1247.]]


Betrachtet man den Zeitraum von nur 8 Tagen zwischen der Eroberung von Wasserburg und der Ausfertigung der Urkunde für das Kloster Seeon, bliebt die Frage, woher so schnell ein Typar mit dem Rautenwappen kam. Möglicherweise wurde mit der Anfertigung schon während der mehr als einjährigen Wasserburger Belagerung begonnen, da die Eroberung eine beschlossene Sache war und das Kräfteverhältnis wohl klar auf Ludwigs Seite. Oder es musste nach der Eroberung schnell ein Typar gefertigt werden und ob der begrenzten Zeit wurde nicht das für einen Fürsten üblichere, aber handwerklich aufwändigere Reitersiegel angefertigt, sondern ein einfacher herzustellendes Siegel, das nur den Wappenschild enthält.
Konrad von Wasserburg war in seiner Politik zwischen der kaiserlichen und der päpstlichen Partei wankelmütig, das unterschied ihn aber kaum von anderen Territorialherren seiner Zeit. Auch den Wittelsbachern war er teils wohlgesonnen, schließlich war seine Mutter eine Wittelsbacherin, so schloss er mit Herzog Otto einen Erbvertrag im Jahre 1242, als ihm klar war, dass er kinderlos blieben würde. Das Wasserburger Erbe war den Wittelsbachern damit sicher und zunächst war kein Grund für einen militärischen Konflikt in Sicht. Dann aber ließ sich der unstete Konrad von dem Wanderprediger Albert Beham gegen den Herzog aufstacheln, der große bayerische Historiker Max Spindler spricht gar von einem Kreuzzug. Das war Herzog Otto II. dann doch zu viel, wohl wähnte er sein Erbe in Gefahr und er schickte seinen 17-jährigen Sohn Ludwig mit einer Streitmacht.  


==Das Wappen des Klosters Attel in der Nachfolge des Wasserburger Rautenwappens==
Der Wasserburger Feldzug gegen Konrad war für den jungen Ludwig die erste militärische Aktion, die er alleine anleitete, gewissermaßen seine Bewährungsprobe. Konrad erwies sich als zäher Gegner, die Belagerung dauerte 17 Wochen. Als er die Stadt am 11. November 1247<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hiebl, Konrad von Wasserburg|Hiebl, Konrad von Wasserburg]].</ref> endlich erobert und damit Konrad von Wasserburg entmachtet, eignete er sich sogleich dessen Rautenschild an und begann unmittelbar Urkunden im Wasserburger Umfeld damit zu siegeln. Die eingangs genannte Urkunde aus dem Kloster Seeon ist auch die erste von Ludwig ausgestellte Urkunde überhaupt, sie wurde auf der ehemals gräflich wasserburgischen Burg Hartmannsberg ausgestellt. Diese wurde wohl schon vor der Stammesfestung Wasserburg erobert und könnte Ludwig als Hauptquartier während der Belagerung gedient haben. Hierzu sei auch der oben erwähnte Georg von Jochner zitiert:
Das 1137 von Graf Engelbert gegründete Benediktinerkloster Attel war das Hauskloster der Grafen von Wasserburg, neben dem 1235 von Graf Konrad gegründeten Dominikanerkloster Altenhohenau. Als solches war es nicht ungewöhnlich, als Klosterwappen das Wappen des ausgestorbenen Stiftergeschlechts zu wählen, praktiziert vor allem ab dem 15. Jahrhundert  von Benediktiner- oder Zisterzienserstiften. So gibt es im altbayerischen Raum einige bekannte Beispiele<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik |Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik ]]</ref>: Die von den frühen Wittelsbachern gegründenten Klöster Indersdorf, Ensdorf und Scheyern führen den Zackenbalken der Wittelsbacher. Dießen und Andechs führen Löwe und Adler aus dem Siegel des letzten Grafen von Dießen-Andechs.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hye, Die Geschichte des Wappens der Grafen von Dießen-Andechs|Hye, Die Geschichte des Wappens der Grafen von Andechs]]</ref> Attel führte das Wappen Konrads von Wasserburg mit den drei Rauten. Andere Klöster führen apokryphe (den Gründern zugeschriebene, für diese aber nicht direkt nachweisbare) Wappen, z.B. Steingaden den Greifenlöwen der Welfen. Für das Kloster Windberg, gegründet von den Grafen von Bogen, ist ab Mitte des 16. Jhdts ebenfalls ein Rautenwappen überliefert, allerdings mit einem goldenen Glevenrad belegt.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hund, Bayrisch Stammen-Buch|Hund, Bayrisch Stammen-Buch]] 122, wohl wegen des Glevenrades eher in die Kategegorie apokryphe Wappen einzuordnen</ref>


===Überblick über die Verwendung===
''Sollte es nun Zufall sein, dass Ludwig in eben dieser Zeit des Teils durch Erbvertrag teils durch Waffengewalt neu erworbenen Besitzes sich auch eines neuen Siegels bedient? Muß nicht vielmehr hier ein ursächlicher Zusammenhang bestehen, wenn er dasselbe Wappenzeichen annimmt gerade jener Wasserburger deren Gebiet – dem wittelsbachischen Hause bereits zugesprochen – er nun, da das Erbe verlorenzugehen droht, mit Waffengewalt festzuhalten und zu erobern gedenkt? Angesichts der Stammesfeste entfaltet er das alte Banner des früheren Herrn derselben zum Zeichen, dass nun Wittelsbach der neue Herr ist und bleiben will'' <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen|Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen]], 404</ref>  
Im Gegensatz zu dem Siegeln weltlicher Herren tauchen heraldische Elemente bei geistlichen Herren erst relativ spät auf, im frühen und hohen Mittelalter ist zumeist nur der geistliche Würdenträger oder ein Kirchenpatron dargestellt, so auch an Atteler Urkunden, z.B. 1368 <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, I2a2|StadtA Wasserburg a. Inn, I2a2]]</ref>: Abt und Konvent führen je ein Siegel mit dem Hl. Michael. Der früheste bildliche Nachweis für das Wappen mit den drei Rauten stammt von 1440.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik |Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik ]], 36</ref> Das Rautenwappen wurde vom Abt oder für die Abtei als ganzes verwendet, der Konvent führte ein Wappen mit einem Rad, das Zimmermann als Schildbuckel interpretiert und damit dem als Schild des Hl. Michael am Konventswappen in den oben genannten Urkunden entspricht. So befinden sich zu Füßen der Figuren am Stiftergrab auch das Konventswappen, zu beiden Seiten je das Abteiwappen.


===Die silbern-blaue Tingierung und das bayerische weiß-blau===
In der Tat würde es zu Ludwigs zynischem Charakter passen - wegen der Ermordung seiner ersten Gemahlin bekam er von der Nachwelt den Beinahmen der Strenge -  dass er in einem auch für damalige Verhältnisse diplomatischem Eklat provoziert, in dem er das Wappen des noch nicht ausgestorbenen  Wasserburger Geschlechts ursurpiert. Betrachtet man den Zeitraum von nur acht Tagen zwischen der Eroberung Wasserburgs und der Ausfertigung der Urkunde für das Kloster Seeon, bleibt die Frage, woher so schnell ein Typar mit dem Rautenwappen kam. Möglicherweise wurde mit der Anfertigung schon während der Wasserburger Belagerung begonnen, da die Einverleibung der Grafschaft eine beschlossene Sache war und das Kräfteverhältnis wohl klar auf Ludwigs Seite lag. Oder es sollte nach der Eroberung schnell ein Typar gefertigt werden und ob der begrenzten Zeit wurde nicht das für einen Fürsten üblichere, aber handwerklich aufwändigere Reitersiegel angefertigt, sondern ein einfacher herzustellendes Siegel, das nur den Wappenschild enthält.
Die Tingierung (Farbgebung) des Atteler Wappens ist überliefert als silberner Schild mit drei blauen Rauten belegt. Wenn man nun von einer authentischen Fortführung des Rautenwappens Graf Konrads durch Attel ausgeht, so werden sicher auch die Farben übernommen worden sein. Alle Darstellungen auf Siegeln oder Grabsteinen des Atteler Klosterwappens bilden die Rauten als erhabenes Relief ab, d.h. man kann hier bereits von einer einheitlichen Tingierung ausgehen. Im Hinblick auf die bayerischen Rauten könnte so auch die Farbgebung Weiß (heraldisch Silber) und Blau in einer kontinuierlichen Tradition der Grafen von Wasserburg stehen.
 
 
 
===Häufige Verwendung des Rautensiegels Herzog Ludwigs II. im Wasserburger Umland===
[[Datei:Wasserburg Karte 2.jpg|mini|550px|Rautenlandschaft: Verwendung des Rautenschildes durch Herzog Ludwig II. in Bayern bis zur Landesteilung 1255]]
 
Zum Ort seines ersten Triumphes hatte Ludwig gerade in seinen frühen Regierungsjahren ein besonderes Verhältnis, dies zeigt ein Blick auf die Urkunden aus seinen frühen Regierungsjahren für sein bayerisches Herrschaftsgebiet (daneben stellt er noch Urkunden in der Pfalz aus). Insbesondere die Urkunden, die er ausschließlich in eigenem Namen verfasst, haben als Adressaten Klöster im Wasserburger Umland, denen er Rechte bestätigt oder die Vogteirechte übernimmt. In seinen Anfangsjahren als Herrscher wollte er damit seinen Herrschaftsbereich insbesondere im südlichen Oberbayern festigen. Es liegt doch nahe, dass er das dort überall bekannte Wasserburger Rautenwappen als politisches Symbol nutzt, denn das waren Wappen zu dieser Zeit durchaus wie in ... beschrieben wurde. Selbstverständlich sind seine Urkunden dann alle mit dem Rautensiegel aus der Burg Hartmannsberg versehen. [[Auf der Burg]] Wasserburg bringt er auch den jungen Konradin unter, ein Faustpfand seiner pro-staufischen Politik.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Inninger, Konradin|Inninger, Konradin]].</ref> Dies ist ein weiterer Hinweis für die hohe Bedeutung Wasserburgs als Verwaltungssitz Ludwigs und mit Sicherheit hat er sich selbst dort oft aufgehalten. Hingegen im Herrschaftsbereich der Grafen von Bogen sind keine Urkunden Ludwigs erhalten, es ist nicht einmal klar, ob er Niederbayern östlich der Donau, wo sich die Grafschaft Bogen befand, jemals bereist hat. Auch wird er kaum eine besondere familiäre Beziehung zu den Stiefsöhnen seiner Großmutter geführt haben, das Verwandtschaftsverhältnis ist da schon sehr weitläufig. Daher wird er sich kaum mitten im Wasserburger Krieg an das Wappen seiner Stiefonkel erinnert haben. Wenn andererseits die Wittelsbacher wirklich das Wappen der Grafen von Bogen übernehmen hätten wollen, so hätten sie es gleich nach deren Aussterben 1242 getan. Von Herzog Otto ist aber kein Siegel mit Rautenwappen überliefert.
 
Die Abbildung<ref>Basis für die Abbildung ist [[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hofmann, Urkundenwesen|Hofmann, Urkundenwesen]].</ref> zeigt die Empfänger der Urkunden Herzog Ludwigs bis zur bayerischen Landesteilung.<ref>Landesteilung als Endpunkt deswegen, weil dadurch auch die Verwaltung umgegliedert wurde und sich entsprechend die Ausstellungsorte nach den Verwaltungssitzen richten (hauptsächlich Landshut/Niederbayern, München/Oberbayern). Auch war zu dem Zeitpunkt das Rautenwappen schon voll etabliert.</ref> An allen diesen ist entweder das Siegel mit dem Rautenschild von 1247 erhalten oder hat sich mit ziemlicher Sicherheit daran befunden, denn erst ab 1260 verwendet er zusätzlich ein Reitersiegel. Ab 1254 verwendet auch sein jüngerer Bruder Heinrich ein Siegel mit gerautetem Dreieckschild, ab 1259 ebenfalls ein Reitersiegel.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens|Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens]].</ref> Vom Tod Ottos II. des Erlauchten 1253 bis 1255 regieren die Brüder das Herzogtum gemeinsam, danach teilen sie es in Pfalz-Oberbayern (Ludwig) und Niederbayern (Heinrich). Die Grenzen entsprachen jedoch noch nicht denen der heutigen Regierungsbezirke. Bei der Betrachtung der Empfängerorte fällt auf, dass die allgemeinen Staatsgeschäfte, die Ludwig entweder mit seinem Vater oder Bruder tätigt, im ganzen Herzogtum verteilt sind, während die Urkunden, die er alleine ausstellt, d.h. seine eigenen politischen Angelegenheiten, sich auf die ehemalige Grafschaft Wasserburg und deren Umland konzentrieren.
 
 
===Vergleich mit den Grafen von Bogen: Rauten und Gitternetz===
[[Datei:Vergleich der Wappen auf Siegeln der Grafen von Bogen und Wasserburg.jpg|mini|Vergleich der Wappen auf Siegeln der Grafen von Bogen und Wasserburg]]
 
Vergleicht man die Wappenschilde und Fahnenlanzen der Bogener und Wasserburger Siegel, so fällt auf, dass es sich nur bei den Wasserburgern um echte Rauten handelt, mathematisch beschrieben einen Rhombus mit unterschiedlichen Winkeln (im Gegensatz zum Schach, das eine Fläche quadratisch unterteilt). Auch sind auf den Wasserburger Siegeln die Rauten erhaben dargestellt, womit der Kunsthandwerker darstellen wollte, dass sie sich farblich vom Schildgrund bzw. Tuch der Fahnenlanze bei Dietrich unterscheiden. Bei den Bogener Siegeln ist ein aufgelegtes Gitternetz zu erkennen.
 
Auch Scholliner, der Urheber der Bogener These,  erwähnt ja die Wasserburger These, führt aber als ausschlaggebendes Argument auf, dass die Wasserburger Rauten senkrecht und nicht schrägrechts stehen.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Scholliner, Historisch-Heraldische Abhandlung|Scholliner, Historisch-Heraldische Abhandlung]], 16 f.</ref> Ihm lagen teilweise nur die Abbildungen in MB vor, die insbesondere bei den Bogener Siegeln irreführend sind (siehe Abbildungen oben). In der nebenstehenden Abbildung sind die Details aus den Siegeln der Bogener und Wasserburger Grafen im Vergleich zum Rautensiegel Herzog Ludwigs dargestellt. Augenscheinlich sind Scholliners geometrische Argumente nicht zutreffend, bei den Bogener Grafen wurde schlicht eine andere heraldische Figur dargestellt, nämlich das oben beschriebene aufgelegte Gitternetz. Hingegen ist die Ähnlichkeit der Rauten insbesondere Bei Graf Dietrich und Herzog Ludwig frappierend.
 
Aufschlussreich ist auch die Aussage des bayerischen Historikers Wiguläus Hund von 1585, also zwei Jahrhunderte vor Scholliner, als der Erhaltungszustand entsprechend besser war. Er spricht explizit von einem Schach, nicht von Rauten:
 
''… Die Graven von Pogen führten drey gelb Pogen in blawen Feldt/ aber ich find das sie auch ein gschachten Schildt geführt/ die Farb weyß ich nit …''<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hund, Bayrisch Stammen-Buch|Hund, Bayrisch Stammen-Buch]], 121.</ref>
 
 
===Überlieferung der Farben über das Kloster Attel===
Das im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts<ref>Noichl, Erfundene Zahl!</ref>von Hallgraf Engelbert gegründete Benediktinerkloster Attel war das Hauskloster der Grafen von Wasserburg, neben dem 1235 von Graf Konrad gegründeten Dominikanerkloster Altenhohenau. Es war üblich, als Klosterwappen das Wappen des ausgestorbenen Stiftergeschlechts zu wählen, praktiziert vor allem ab dem 15. Jahrhundert von Benediktiner- oder Zisterzienserstiften. So gibt es im altbayerischen Raum einige bekannte Beispiele<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik|Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik]].</ref>: Die von den frühen Wittelsbachern gegründenten Klöster Indersdorf, Ensdorf und Scheyern führen den Zackenbalken der Wittelsbacher. Dießen und Andechs führen Löwe und Adler aus dem Siegel des letzten Grafen von Dießen-Andechs.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hye, Wappen der Grafen von Andechs|Hye, Wappen der Grafen von Andechs]].</ref> Attel führte das Wappen Konrads von Wasserburg mit den drei Rauten. Andere Klöster führen apokryphe (den Gründern zugeschriebene, für diese aber nicht direkt nachweisbare) Wappen, z.B. Steingaden den Greifenlöwen der Welfen. Für das Kloster Windberg, gegründet von den Grafen von Bogen, ist ab Mitte des 16. Jahrhunderts ebenfalls ein Rautenwappen überliefert, allerdings mit einem goldenen Glevenrad belegt.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Hund, Bayrisch Stammen-Buch|Hund, Bayrisch Stammen-Buch]], 122, wohl wegen des Glevenrades eher in die Kategegorie apokryphe Wappen einzuordnen.</ref>
 
Im Gegensatz zu den Siegeln weltlicher Herren tauchen heraldische Elemente bei geistlichen Territorien erst relativ spät auf. Im frühen und hohen Mittelalter ist zumeist nur der geistliche Würdenträger oder ein Kirchenpatron dargestellt, so auch an Atteler Urkunden, z.B. 1368 <ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#StadtA Wasserburg a. Inn, I2a2|StadtA Wasserburg a. Inn, I2a2]].</ref>: Abt und Konvent führen je ein Siegel mit dem Hl. Michael. Der früheste bildliche Nachweis für die Verwendung der drei Rauten im Wappen des Klosters Attel stammmt von 1440.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik |Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik ]], 36.</ref> Das Rautenwappen wurde vom Abt oder für die Abtei als ganzes verwendet, der Konvent führte ein Wappen mit einem Rad, das Zimmermann als Schildbuckel interpretiert und damit dem als Schild des Hl. Michael am Konventswappen in den oben genannten Urkunden entspricht. So befinden sich zu Füßen der Figuren am Stiftergrab auch das Konventswappen, zu beiden Seiten je das Abteiwappen.
 
Die Tingierung (Farbgebung) des Atteler Wappens ist überliefert als silberner Schild mit drei blauen Rauten, der älteste Nachweis ist auf der bayerischen Landtafel von Hans Mielich zu finden, einer Illustration im Bußpsalmencodex Herzog Albrechts des V. von 1565.<ref>[[Quellen-_und_Literaturverzeichnis#Mielich, Wappen der bayerischen Landstände|Mielich, Wappen der bayerischen Landstände]]</ref> Dort ist auch ein Wappen des Klosters Altenhohenau überliefert mit den Kirchenpatronen, zwischen denen sich ein Rautenschild befindet. Dieser ist aber wohl kein Hinweis auf die Wasserburger Grafen sonder eher auf Margaret von Bayern, Tochter Herzog Georgs des Reichen und Förderin des Klosters. Wenn man nun von einer authentischen Fortführung des Rautenwappens Graf Konrads durch Attel ausgeht, so werden sicher auch die Farben übernommen worden sein. Alle Darstellungen auf Siegeln oder Grabsteinen des Atteler Klosterwappens bilden die Rauten als erhabenes Relief ab, d.h. man kann hier bereits von einer einheitlichen Tingierung ausgehen. Im Hinblick auf die bayerischen Rauten könnte so auch die Farbgebung weiß (heraldisch silber) und blau in einer kontinuierlichen Tradition der Grafen von Wasserburg stehen.
 
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File:Mielich Wappen Altenhohenau.png|Hans Mielich, um 1565: Wappen des Klosters Altenhohenau
File:Mielich Wappen Attel.png|Hans Mielich, um 1565: Wappen des Klosters Attel
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Aktuelle Version vom 14. September 2024, 10:17 Uhr


Ausführliche/Alt. Überschrift

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Autorenzeile

Einführung

Ursprünglich eine Wasserburger „Marke“: Urform des bayerischen Rautenwappens, Nachzeichnung aus dem Siegel Herzog Ludwig II. von 1247

Seit dem Spätmittelalter verwendete das bayerische Herrscherhaus den weiß (heraldisch: silber) und blau schräg gerauteten Schild als Wappen und bis in die Gegenwart wird dieser im großen und kleinen Staatswappen als Hoheitssymbol des bayerischen Staates verwendet.[1] Darüber hinaus sind die Rauten (je nach Definitionsauffassung auch als Wecken bezeichnet) das allgemein anerkannte, vielfach verwendete Symbol für Bayern. Zum ersten mal nutzte der Wittelsbacher Ludwig der Strenge (* 13. April 1229 in Heidelberg; † 2. Februar 1294 ebd., ab 1253 Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein) den Rautenschild in seinem Siegel an einer Urkunde des Klosters Seeon vom 19. November 1247.[2] Noch vor den Wittelsbachern sind Rauten in den Siegeln der Grafen von Wasserburg und einigen niederadeligen Geschlechtern in der Oberpfalz zu sehen, das Wappen der Grafen von Bogen wird gemeinhin auch als Rauten interpretiert.

Die Herkunft der Wittelsbacher Rauten wurde seit dem 18. Jahrhundert in Gelehrtenkreisen diskutiert. Nachdem anfänglich eine Herleitung von Heinrich dem Löwen oder gar den Bajuwaren im Raumstand, setzte sich am Ende einer über hundertjährigen Diskussion der Fachwelt doch eine Abstammungsthese durch, die eine Übernahme der Rauten durch die Wittelsbacher von den älteren Wappen der Wasserburger oder Bogener Grafen annahm. Georg Maria von Jochner, der letzte Generaldirektor der staatlichen Archive Bayerns zur Zeit der Monarchie und wohl seinerzeit herausragendste Heraldiker, vertrat die Wasserburger Abstammung. Diese geriet seit der Neugestaltung des Staatswappens 1950 jedoch in Vergessenheit, denn damals wurde eine Herkunft von den Grafen von Bogen als Faktum in die Symboldeutung aufgenommen, ohne dass dafür irgendein Nachweis erbracht werden konnte. Gegenwärtig wird die Bogener These auch in der Wissenschaft allzuoft ohne Begründung oder Angabe von Quellen rezipiert und ihre Gültigkeit schon als selbstverständlich angenommen [3] Doch das Gegenteil ist der Fall, denn es sprechen vier Gründe eindeutig für die Wasserburger These:

  • Das erste Wittelsbacher Rautensiegel taucht zeitlich unmittelbar nach der Eroberung von Wasserburg auf
  • Ausstellungsorte und Addressaten der Urkunden Herzog Ludwigs, an denen sein Rautensiegel angebracht ist, sind häufig im Wasserburger Umland
  • Im Wappen der Wasserburger Grafen sind eindeutig rhombenförmige Rauten zu sehen, während es sich beim Wappen der Grafen von Bogen eher um ein Schachbrett oder Gittermuster handelt.
  • Die Tradition des Wasserburger Hausklosters Klosters Attel, das ab 1440 die Rauten seiner Stifter in den überlieferten Farben Weiß-Blau weiterführt

Ein finaler Beweis ist freilich nicht möglich. Dies wäre dann der Fall, wenn Herzog Ludwig II. neben dem Wappen auch den Titel des Geschlechts übernommen hätte. Zu keinem Zeitpunkt war Graf von Wasserburg oder Hallgraf Bestandteil des bayerischen Herrschertitels, ebensowenig wie Graf von Bogen. Dieser Beitrag erläutert im Detail die Siegel und Wappen der Wasserburger Grafen und die genannten Gründe, die für eine Übernahme deren Wappens durch die Wittelsbacher sprechen.[4]. Dabei wird die wissenschaftliche Diskussion um eine umfassende Auswertung der verfügbaren Quellen und Literatur ergänzt.

Die Frühzeit der Heraldik

Bevor die Wappen der Grafen von Wasserburg vorgestellt werden, ist zur Einordnung in den historischen Kontext ein Exkurs zur Entwicklung der Heraldik angebracht, insbesondere in Hinblick auf die Entwicklung des Wappens der Wittelsbacher sowie der heraldischen Figur der Rauten.

Entstehung des Wappenwesens

In der heraldischen Fachwelt herrscht überweigend der Konsens, dass das europäische Wappenwesen zur Zeit der Kreuzzüge zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstand, auch wenn es immer wieder Spekulationen über noch ältere Spuren gab, eine davon führt auch nach Wasserburg: Der Begründer der wissenschaftlichen Heraldik, Claude Francois Menestrier, behauptete am Grabmal des Warmund von Wasserburg († um 1010) in St. Emmeram in Regensburg das älteste Wappen Europas, einen Löwen, gesehen zu haben.[5] Das Grabmal stammt aus wesentlich späterer Zeit und das Löwenwappen war dort schon im späten 18. Jahrhundert nicht mehr zu sehen[6], so gilt Menestriers Beobachtung als widerlegt, ist aber wohl der Hintergrund für Vermutungen um einen Zusammenhang des Wasserburger Stadtwappens mit den Grafen von Wasserburg. Der Löwe ist dennoch wohl die älteste heraldische Figur: Die erste belegbare Wappenverleihung – das Recht, ein Wappen offiziell führen zu dürfen, genehmigt durch einen Souverän – stammt aus dem Jahr 1127: Der König von England verlieh damals seinem Schwiegersohn Gottfried Plantagenet einen Schild mit gemalten Löwen.[7] Erhalten sind aus dieser Frühzeit der Heraldik vor allem Reitersiegel, die im gesamten europäischen Kulturraum ähnlich ausgestaltet sind. Im Regelfall ist dort der Siegelinhaber in voller Rüstung zu Pferde dargestellt. Über dem Kettenpanzer trägt er eine Tunika, auf dem Kopf einen geschlossenen Topfhelm oder seltener einen offenen Normannenhelm. In einer Hand hält er ein Schild mit dem eigentlichen Wappenbild, in der Hand hält er eine Lanze, an der ein Banner befestigt ist, welche das Wappenbild wiederholen kann. Bei Landesherren ist das Banner dreizipflig und oft gerautet.[8] Einige heute noch verwendete Länderwappen sind zum ersten mal auf solchen Reitersiegeln anzutreffen: Der Thüringer Löwe im Siegel Landgraf Herrmanns von 1209 oder die staufischen drei übereinanderschreitenden Löwen im Siegel Herzog Heinrichs von Schwaben von 1216, die heute im Landeswappen von Baden-Württemberg zu finden sind. Vereinzelt existieren auch Siegel, die nur den Wappenschild enthalten (z.B. der schon erwähnte Rautenschild Herzog Ludwigs des Strengen 1247) oder auch nur die Wappenfigur ohne Schild (Heinrich der Löwe um 1180).[9]

Sehr häufig treten in den frühen Heraldik die bereits in der Antike verwendeten Machtsymbole Adler und Löwe auf, die auch als Symbol der kaiserlich-staufischen (Adler) oder welfischen Partei (Löwe) interpretiert werden. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts begannen die Landesfürsten, die bislang den Adler führten, eigenständige Wappen zu zeigen, um ihre Unabhängigkeit vom staufischen Reich zu demonstrieren (z.B. Böhmen, Österreich).[10] Bei den Wittelsbachern führt der vom staufischen Kaiser begünstigte und mit dem Herzogtum belehnte Otto I. einen Adler. Ebenso tut es sein Sohn Ludwig I. bis ca. 1220-22, von da an bis zu seinem Tod 1231 zeigt er den Zackenbalken, das vermutliche Stammwappen der Grafen von Scheyern, welches in seiner Form den Rauten nicht unähnlich ist und auch schon für solche gehalten wurde.[11]. Denkbar wäre, dass der zwischen Staufern und Welfen hin und her paktierende Herzog ein eigenständiges Hoheitszeichen präsentieren wollte. Sein Sohn Otto II. der Erlauchte, der über seine Frau Agnes, eine Welfentochter, die Rheinpfalz erbte, führte den Pfälzer Löwen, der dann zum bayerischen Löwen wurde.[12]

Rauten in der Frühzeit der Heraldik

Fast ähnlich beliebt wie Adler und Löwe sind Schach[13] und Raute[14], beide sind sich im Aufbau ähnlich. Oft wird der gesamte Schild geschacht oder gerautet, dies lässt wieder an die Schildbespannung der Kreuzritter mit gemusterten orientalischen Stoffen als Ursprung denken. Das Schach, bei dem der Schild mit einer gleichen Anzahl von rechtwinkligen Spaltungs- und Teilungslinien belegt ist, ist als Wappen nachweisbar ab 1141[15]. Wohl eine Abwandlung des Schachs sind die Rauten, wobei der wesentliche Unterschied der ungleiche Winkel beim Aufeinandertreffen der Linien ist, die einzelne Raute erhält damit die Form eines Rhombus. Nur in der deutschen Heraldik existieren noch die Figuren Wecken (längliche Rauten)[16] und Spindeln (besonders schlanke Form der Wecke)[17]. Beim bayerischen Wappen existiert auch in der Fachliteratur keine eindeutige Unterscheidung, die Begriffe Wecken und Rauten werden zumeist synonym verwendet und in der amtlichen Definition des Innenministeriums ist nur von Rauten die Rede.[18]

Rauten sind aber keine ausschließlich bayerische heraldische Figur. Früh erscheint sie in Frankreich, z.B. beim Haus Craon[19]. Prominent ist das Rautenwappen der ursprünglich Genuesischen Adelsfamilie Grimaldi, das sich heute im Staatswappen von Monaco befindet.[20] Auch in Deutschland sind Rauten bei mehreren Adelsfamilien vorzufinden, bekannt sind die Teckschen Wecken einer Seitenlinie der Zähringer Herzöge, nachweisbar ab 1261.[21]

In Bayern tauchen Rauten erstmals 1180 bei dem niederadeligen Geschlecht der Liebensteiner auf, Ministerialen der Reichsabtei Waldsassen.[22] Nach Hefner[23]stehen sie in einer Wappengemeinschaft mit den Hohenfelsern und Ehrenfelsern, Ministerialen des Hochstifts Regensburg. Ab 1202/03 zeigen die Wasserburger Grafen Rauten und ab 1209 die Grafen von Bogen.

Erwähnt soll an dieser Stelle noch der geschachte Schild im Stammwappen der Sponheimer sein, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachweisbar ist[24], jedoch wegen seiner Schlichtheit auch älteren Ursprungs sein könnte. Es handelt sich um eine ursprünglich rheinländische Familie, von der sich ein bayerischer Zweig als Grafen von Ortenburg abspaltete, der die Pfalzgrafenwürde erlangte und damit im alten Herzogtum Bayern nach dem Herzog selbst an zweiter Stelle in der Adelshierarchie kam. Diese Familie war mit den mächtigen altbayerischen Grafengeschlechtern verschwägert, so auch mit den Grafen von Wasserburg. Der bayerische Zweig führte jedoch als Wappen einen Panther. Als Inspirationsquelle für Rauten beim bayerischen Adel wäre wohl das Sponheimer Stammwappen auch denkbar.

Die hier dargestellte Vielzahl an Rautenwappen, die noch vor den Wittelsbachern geführt wurde, zeigt zunächst einmal, dass die Rauten nicht einem einzigen Geschlecht zuzuorden sind und eine Herkunftsthese vor allem auch den zeitlichen und örtlichen Verwendungskontext betrachten sollte.

Die Wappen der Grafen von Wasserburg

Die siegelführenden Grafen

Nachzeichnung des Reitersiegels Graf Dietrichs von Wasserburg.

Wie bei anderen altbayerischen Hochadelsgeschlechtern auch, liegen die Anfänge der Grafen von Wasserburg im Dunkeln. Vermutlich handelt es sich um eine Nebenlinie des Hauses Dießen-Andechs, über die eine Abstammung von den Regensburger Domvögten hergeleitet werden kann.[25] Das Kerngebiet des Herrschaftsbereichs war das Wasserburger Umland mit der Limburg als Herrschaftssitz, der im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts nach Wasserburg verlegt wurde. Vogteirechte wurden über die Hausklöster Attel und Altenhohenau sowie Rott am Inn ausgeübt. Ergänzt wurde der Herrschaftsbereich durch die Viechtenstein im Inntal bei Passau (ab 1220 an Passau übertragen) und die Hallgrafschaft in Reichenhall (ab 1220 durch den Herzog von Bayern übernommen). Eine ausführliche Darstellung der Genealogie ist bereits bei Noichl[26] erfolgt.
Hier kann daher ein kurzer Überblick der im Weiteren relevanten genealogischen Daten der letzten beiden Grafen genügen, für die auch Siegel erhalten sind:

  • Dietrich, Graf von Wasserburg († 1206) ∞ vor 1178 Heilika von Wittelsbach (G 1171, † 1200), Tochter von Herzog Otto I., Schwester von Herzog Ludwig I.
  • Konrad, Graf von Wasserburg († 1259 Offenburg in der Steiermark) ∞ vor 1223 Kunigunde von Hirschberg († 1249), Witwe Bertholds IV., Graf von Bogen.

Als einziger Sohn Dietrichs, schloss er - kinderlos - 1242 mit Herzog Otto II. von Bayern einen Erbvertrag.

Reitersiegel der Wasserburger Grafen

Für Graf Dietrich ist eine Wappenfigur überliefert, für Graf Konrad zwei, von denen eine vermutlich älter ist und im Laufe der Zeit durch die zweite ersetzt wurde. Im Folgenden werden diese im Detail vorgestellt werden. Die in den Abbildungen hypothetisch verwendete Tingierung silbern (weiß) und blau bei den Rautenwappen ist durch die unten aufgeführte Überlieferung des Wasserburger Grafenwappens im Wappen des Klosters Attel begründet. Die vorgenommene Typisierung wird durch den schlechten Erhaltungszustand des großteils der noch vorhandenen Siegel erschwert.[27]

Das volle Rautenwappen Graf Dietrichs von Wasserburg

Graf Dietrich, bekleidet in hochmittelalterlicher Rüstung mit einem Nasal- oder Normannenhelm präsentiert eine gerautete Fahnenlanze und einen gerauteten Dreiecksschild. Die Ähnlichkeit zum heutigen bayerischen Rautenwappen ist schon unverkennbar. Das Siegel ist an insgesamt vier Urkunden im bayerischen Hauptstaatsarchiv erhalten[28], von denen jedoch nur eines so gut erhalten ist[29], dass hier die Rauten erkennbar sind. Beim Größenvergleich wird aber klar, dass alle vier Siegel vom gleichen Typar stammen, man kann also davon ausgehen, dass Graf Dietrich nur dieses eine Wappen geführt hat. Bei genauerer Betrachtung der Nachzeichnung des Reiters ist der Schild mit zehn Rauten in der Anordnung 3:3:3:1 belegt. Da die frühen Wappen noch nicht bis ins kleinste Detail definiert waren, kann man wohl eher davon ausgehen, dass die Anordnung willkürlich gewählt war und einfach ein gerauteter Schild dargestellt wurde.

Warum hat nun Graf Dietrich das Rautenwappen angenommen oder, was nicht belegbar ist, von seinen Vorfahren übernommen? Die Rautenwappen der Regensburger Ministerialengeschlechter sind möglicherweise artverwandt, wie bei anderen bayerischen Dynasterngeschlechtern führt eine genealogische Spur in den Raum der alten bajuwarischen Stammeshauptstadt Regensburg, nämlich über die Domvögte von Regensburg. Es könnte also sein, dass die Rauten ein Hinweis auf die Regensburger Abstammung sind oder ein Hinweis auf die Beziehung zu der Stadt, in der auch Graf Warmund beigesetzt wurde. Dietrich war aber auch Kreuzzugsteilnehmer und wie oben dargestellt, sind die Rauten ein in Frankreich sehr früh vorkommendes Wappenelement. Eventuell hat er sie dort gesehen und übernommen, vielleicht sind sie so wie auch der Normannenhelm, der in deutschen hochmittelalterlichen Reitersiegeln eher selten vorkommt, ebenso ein Zeichen seiner Vorliebe für französischen Mode? Oder es handelt sich um eine Abwandlung des Sponheimer Schachs, denn es ist eine genealogische Beziehung zu den Grafen von Sponheim vorhanden. Dies sind aber Hypothesen, für die keine direkten Nachweise erbracht werden können.


Der Schrägbalken mit drei Sternen

Für Graf Konrad sind insgesamt 34 Siegel mehr oder weniger gut erhalten, die sich aber aufgrund des Größenunterschieds zwei Typaren zuordnen lassen. Auf dem vermutlich Älteren ist der Graf mit einem zeitgemäßen Topfhelm dargestellt, in einer Hand ein Schwert schwingend, in der anderen einen Schild, der mit einem rechten Schrägbalken belegt ist. Nur ein Siegel ist so gut erhalten, dass man auf dem Schrägbalken noch drei fünfzackige Sterne erkennt. An einem Metallabguss aus dem bayerischen Hauptstaatsarchiv von Ende des 19. Jhdts sind diese noch ganz genau zu erkennen.[30] Im Vergleich mit zeitgenössischen Wappen fällt auf, das dieses Wappen Konrads dem der Burggrafen von Regensburg sehr ähnelt, die einen rechten Schrägbalken mit drei Rosen führten.[31] Wie bei Graf Dietrich könnte dies ein Hinweis auf eine Verwandtschaft oder Herkunft sein.

Klemens Stadler [32], in der Nachkriegszeit am Bayerischen Hauptstaatsarchiv zuständig für Heraldik und Herausgeber einer Buchreihe zu den Deutschen Ortswappen, hat die Sterne im Wappen Graf Konrads etwas leichtfertig ebenfalls als Rosen interpretiert und in Zusammenhang mit dem Stadtwappen von Rosenheim gebracht [33], eine Legende, die sich bis heute hält, so z.B. im Internetauftritt der Stadt Rosenheim [34]. Rosenheim geht wohl auf eine Burg im Besitz der Grafen von Wasserburg zurück [35], aber das Stadtwappen ist doch eher ein redendes Wappen und wurde auch viel später zum ersten mal verwendet.[36] Zudem sind die Sterne auf dem Siegel eindeutig als solche zu erkennen.


Das reduzierte Rautenwappen

Konrad führte dieses Wappen bis ca. 1234 und wechselte dann vermehrt – jedoch nicht ausschließlich – auf ein Wappen mit drei Rauten.[37] Die Siegel mit beiden Wappen – Schrägbalken und Rauten – sehen sehr ähnlich aus, beides mal ist ein schwertschwingender Reiter mit Topfhelm dargestellt. Der Unterschied besteht in Details, z.B. liegt beim … Siegel das Schwert enger am Helm, vor allem aber im Größenunterschied. Damit lassen sich auch die schlecht erhaltenen Siegel klassifizieren. Die drei Rauten sind wahrscheinlich eine Reduktion des Rautenschilds seines Vaters auf eine Rauten-Dreierreihe, gemäß dem heraldischen Prinzip pars pro toto (ein Teil steht für das Ganze). Damit handelt es sich um eine Vereinfachung des ursprünglichen Rautenwappens, wie sie auch schon bei der Wappengemeinschaft Liebenstein-Ehrenfels-Hohenfels praktiziert wurde. Auch nach seiner Entmachtung 1247 stellte Konrad noch Urkunden aus, an denen das Siegel jedoch entweder nicht erhalten oder nicht zuordenbar ist.

Möglich, dass ein Politikwechsel die Motivation für die Wahl eines anderen Wappenbildes war. Betrachtet man die Häufung des Schrägbalkenwappens nach Adressaten, so fällt auf, dass es häufiger auf Urkunden für externe Adressaten verwendet wurde, z.B. für das z.B. für das Domkapitel oder Hochstift von Passau oder für St. Peter in Salzburg. Das Rautenwappen wurde hingegen bevorzugt auf Urkunden für die bevogteten Klöster Attel, Rott am Inn und Altenhohenau, verwendet.

Die Rautenwappenforschung - ein Literaturüberblick

Bis in die frühe Neuzeit hinein gab es keine Deutungsversuche zum Wittelsbacher Rautenwappen. In den Geschichtswerken von Aventinus und Hundt findet man nichts zu einer Herkunftstheorie. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt dann eine Diskussion, die 1775 in der Preisfrage der kurfürstlich-bayerischen Akademie der Wissenschaften gipfelt: Was hatten die Pfalzgrafen von Scheyren und Wittelsbach für ein Geschlechts- Wappen? Warum haben Sie, Als Herzoge, die Wecken und den Löwen wechselweise, die Herzoge in Niederbayern aber zu diesen noch ein Panterthier angenommen?[38] Als Preis war wie üblich eine Goldmedaille ausgelobt.

Drei renommierte Historiker und Heraldiker antworteten, wobei sich ihre Ausführungen im Wesentlichen auf die Abbildungen in den Monumenta Boica bezogen, welche aber falsche Darstellungen enthalten und überinterpretiert wurden (z.B. Schraffur bei den Grafen von Wasserburg, die als rote Farbe interpretiert wird. Die Siegel sind jedoch nachweislich nicht bemalt.): Die Goldmedaille erhielt der Reichersberger Augsutinerchorherr P. Augustin Maximilian Lipowsky, der die Rauten für ein bayerisches Stammeswappen hielt, das schon von den Welfenherzögen verwendet worden sei.[39] Ähnlich sah es der Jurist und Heraldiker Johann Martin Maximilian Einzinger von Einzing, der die Rauten für das Staats- oder Gebietswappen von Niederbayern hielt, im Gegensatz zum oberbayerischen ungekrönten Löwen.[40] Einzinger erhielt für diese Erörterung einen Sachpreis. Bei der Preisfrage leer ausgegangen ist P. Hermann Scholliner, Professor an den Universitäten Ingolstadt und Salzburg und Oberalteicher Benediktinerpater.[41] Er vermutete eine Abstammung von den Grafen von Bogen.[42] Die Rauten der Wasserburger Grafen waren den Autoren auch bekannt und wurden von allen drei erwähnt.

Damit war das Thema aber nicht abgeschlossen, die Diskussion zog sich bis ans Ende des darauf folgenden Jahrhunderts und fast jeder bayerische Heraldiker hat sich fortan in eine der schon bei der Preisfrage aufgetanen Richtungen geäußert. Noch im neuen Siebmacher, dem Standardwerk der deutschen Heraldik bis heute, ist von den Siegeln der Grafen von Bogen als Vorlage für das Bayerische Rautenwappen keine Rede; hier wird wird eine ähnliche These wie bei Lipowsky und Einzinger formuliert.[43]


Am Ende scheint sich die Abstammungsthese doch durchzusetzen. Die Rauten der Grafen von Wasserburg finden aber immer noch gleichrangig mit den Rauten der Grafen von Bogen Erwähnung, zum Beispiel bei Mayer von Mayerfels 1880[44], Primbs 1883[45] und Hupp 1912[46].

Hervorzuheben im Bezug auf Wasserburg ist die Aussage des Eingangs erwähnten Georg von Jochner. Der Archivar war von 1916 bis 1922 Generaldirektor des Allgemeinen Reichsarchivs in München, der Vorgängerinsitution des Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Aufgrund seiner Verdienste wurde ihm im September 1918 das Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone verliehen, verbunden mit dem persönlichen Adel, dadurch war er auch einer der letzten Zivilisten, der von König Ludwig III. In den Adelsstand erhoben wurde. Jochner war zu seiner Zeit die in Bayern führende Autorität in Sachen Heraldik. In einem Aufsatz von 1894 schreibt er, dass das Rautenwappen eindeutig von den Wasserburger Grafen übernommen wurde,[47] dies wird in im Folgenden weiter ausgeführt.

Trotzdem setzt sich am Ende die Bogener These durch. Nach dem Ende der Monarchie wird vermutlich auch das Interesse an Heraldik nachgelassen haben. Ein genauer Zeitpunkt für die alleinige Übernahme der Bogener These durch den bayerischen Staat kann nicht zweifelsfrei ausgemacht werden, wird aber wohl im Umfeld der Annahme des neuen Staatswappens 1950[48] zu verorten sein. Der oben bereits erwähnte Klemens Stadler schreibt in seinem wohl für die Übernahme der Bogener These durch offizielle Stellen maßgeblichen Aufsatz von 1949:[49]

Es besteht wohl kein Zweifel mehr, dass die Wecken dem Wappen der 1242 ausgestorbenen und auf Grund Versippung von den Wittelsbachern beerbten Grafen von Bogen a. Donau entstammen. ... Es lag nahe, an seiner Stelle das den nicht unbedeutendenLändergewinn an der Donau versinnbildende Wappen der verschwägerten Grafen nach deren Erlöschen zum herzoglichen Wahrzeichen zu erheben. [50]

Als Nachweis weist er lediglich auf apokryphe (d.h. in viel späterer Zeit entstandene und ihnen zugeschriebene) Rautenwappen der Grafen von Bogen in Windberg und Oberalteich, deren Hausklöstern, hin. Diese wurden auch schon von Scholliner erwähnt, jedoch nicht als Hauptanhaltspunkt für seine These verwendet. Der Zeitpunkt der Entstehung dieser Wappen liegt über 300 Jahre nach dem Aussterben der Grafen von Bogen. Es soll hier etwas ausführlicher darauf eingegangen werden, um die Zweifelsfreiheit in Stadlers Beweisführung zu relativieren:

  • Am Hochgrab der Klostergünder in Oberalteich, der Regensburger Domvögte Friedrich und Aswin, die fälschlich zu den Grafen von Bogen gerechnet wurden, ist zu Füßen des Grafen Aswin ein Rautenschild dargestellt.
  • Wappenschilde der Grafen von Arco als Rundschilde in der Klosterkirche, mit einer Umschrift, die das Wappen den Grafen von Bogen zuschreibt. Dieses Wappen ist auch als Allianzwappen mit dem des Klosters an einem Klostertor dargestellt, datiert auf 1543.
  • Das Kloster Windberg, zweites Hauskloster der Grafen von Bogen, führte ab Mitte des 16. Jahrhunderts ebenfalls ein Rautenwappen, belegt mit einem goldenen Glevenrad

Auch bei Historikern in jüngerer Zeit [51] wird die Bogener These dann in der neueren Fachliteratur als historische Tatsache dargestellt und ist damit heute selbst zum Teil des bayerischen Nationalsymbols geworden.

Das bayerische Rautenwappen kommt aus Wasserburg – vier Gründe

Zeitlicher Kontext: Die Eroberung von Wasserburg 1247

Siegel Herzog Ludwig II. der Strenge: Erstmalige Verwendung eines Rautenschildes durch die Wittelsbacher an einer Urkunde ausgestellt auf der ehem. Wasserburgischen Burg Hartmannsberg, 1247.

Konrad von Wasserburg war in seiner Politik zwischen der kaiserlichen und der päpstlichen Partei wankelmütig, das unterschied ihn aber kaum von anderen Territorialherren seiner Zeit. Auch den Wittelsbachern war er teils wohlgesonnen, schließlich war seine Mutter eine Wittelsbacherin, so schloss er mit Herzog Otto einen Erbvertrag im Jahre 1242, als ihm klar war, dass er kinderlos blieben würde. Das Wasserburger Erbe war den Wittelsbachern damit sicher und zunächst war kein Grund für einen militärischen Konflikt in Sicht. Dann aber ließ sich der unstete Konrad von dem Wanderprediger Albert Beham gegen den Herzog aufstacheln, der große bayerische Historiker Max Spindler spricht gar von einem Kreuzzug. Das war Herzog Otto II. dann doch zu viel, wohl wähnte er sein Erbe in Gefahr und er schickte seinen 17-jährigen Sohn Ludwig mit einer Streitmacht.

Der Wasserburger Feldzug gegen Konrad war für den jungen Ludwig die erste militärische Aktion, die er alleine anleitete, gewissermaßen seine Bewährungsprobe. Konrad erwies sich als zäher Gegner, die Belagerung dauerte 17 Wochen. Als er die Stadt am 11. November 1247[52] endlich erobert und damit Konrad von Wasserburg entmachtet, eignete er sich sogleich dessen Rautenschild an und begann unmittelbar Urkunden im Wasserburger Umfeld damit zu siegeln. Die eingangs genannte Urkunde aus dem Kloster Seeon ist auch die erste von Ludwig ausgestellte Urkunde überhaupt, sie wurde auf der ehemals gräflich wasserburgischen Burg Hartmannsberg ausgestellt. Diese wurde wohl schon vor der Stammesfestung Wasserburg erobert und könnte Ludwig als Hauptquartier während der Belagerung gedient haben. Hierzu sei auch der oben erwähnte Georg von Jochner zitiert:

Sollte es nun Zufall sein, dass Ludwig in eben dieser Zeit des Teils durch Erbvertrag teils durch Waffengewalt neu erworbenen Besitzes sich auch eines neuen Siegels bedient? Muß nicht vielmehr hier ein ursächlicher Zusammenhang bestehen, wenn er dasselbe Wappenzeichen annimmt gerade jener Wasserburger deren Gebiet – dem wittelsbachischen Hause bereits zugesprochen – er nun, da das Erbe verlorenzugehen droht, mit Waffengewalt festzuhalten und zu erobern gedenkt? Angesichts der Stammesfeste entfaltet er das alte Banner des früheren Herrn derselben zum Zeichen, dass nun Wittelsbach der neue Herr ist und bleiben will [53] 

In der Tat würde es zu Ludwigs zynischem Charakter passen - wegen der Ermordung seiner ersten Gemahlin bekam er von der Nachwelt den Beinahmen der Strenge - dass er in einem auch für damalige Verhältnisse diplomatischem Eklat provoziert, in dem er das Wappen des noch nicht ausgestorbenen Wasserburger Geschlechts ursurpiert. Betrachtet man den Zeitraum von nur acht Tagen zwischen der Eroberung Wasserburgs und der Ausfertigung der Urkunde für das Kloster Seeon, bleibt die Frage, woher so schnell ein Typar mit dem Rautenwappen kam. Möglicherweise wurde mit der Anfertigung schon während der Wasserburger Belagerung begonnen, da die Einverleibung der Grafschaft eine beschlossene Sache war und das Kräfteverhältnis wohl klar auf Ludwigs Seite lag. Oder es sollte nach der Eroberung schnell ein Typar gefertigt werden und ob der begrenzten Zeit wurde nicht das für einen Fürsten üblichere, aber handwerklich aufwändigere Reitersiegel angefertigt, sondern ein einfacher herzustellendes Siegel, das nur den Wappenschild enthält.


Häufige Verwendung des Rautensiegels Herzog Ludwigs II. im Wasserburger Umland

Rautenlandschaft: Verwendung des Rautenschildes durch Herzog Ludwig II. in Bayern bis zur Landesteilung 1255

Zum Ort seines ersten Triumphes hatte Ludwig gerade in seinen frühen Regierungsjahren ein besonderes Verhältnis, dies zeigt ein Blick auf die Urkunden aus seinen frühen Regierungsjahren für sein bayerisches Herrschaftsgebiet (daneben stellt er noch Urkunden in der Pfalz aus). Insbesondere die Urkunden, die er ausschließlich in eigenem Namen verfasst, haben als Adressaten Klöster im Wasserburger Umland, denen er Rechte bestätigt oder die Vogteirechte übernimmt. In seinen Anfangsjahren als Herrscher wollte er damit seinen Herrschaftsbereich insbesondere im südlichen Oberbayern festigen. Es liegt doch nahe, dass er das dort überall bekannte Wasserburger Rautenwappen als politisches Symbol nutzt, denn das waren Wappen zu dieser Zeit durchaus wie in ... beschrieben wurde. Selbstverständlich sind seine Urkunden dann alle mit dem Rautensiegel aus der Burg Hartmannsberg versehen. Auf der Burg Wasserburg bringt er auch den jungen Konradin unter, ein Faustpfand seiner pro-staufischen Politik.[54] Dies ist ein weiterer Hinweis für die hohe Bedeutung Wasserburgs als Verwaltungssitz Ludwigs und mit Sicherheit hat er sich selbst dort oft aufgehalten. Hingegen im Herrschaftsbereich der Grafen von Bogen sind keine Urkunden Ludwigs erhalten, es ist nicht einmal klar, ob er Niederbayern östlich der Donau, wo sich die Grafschaft Bogen befand, jemals bereist hat. Auch wird er kaum eine besondere familiäre Beziehung zu den Stiefsöhnen seiner Großmutter geführt haben, das Verwandtschaftsverhältnis ist da schon sehr weitläufig. Daher wird er sich kaum mitten im Wasserburger Krieg an das Wappen seiner Stiefonkel erinnert haben. Wenn andererseits die Wittelsbacher wirklich das Wappen der Grafen von Bogen übernehmen hätten wollen, so hätten sie es gleich nach deren Aussterben 1242 getan. Von Herzog Otto ist aber kein Siegel mit Rautenwappen überliefert.

Die Abbildung[55] zeigt die Empfänger der Urkunden Herzog Ludwigs bis zur bayerischen Landesteilung.[56] An allen diesen ist entweder das Siegel mit dem Rautenschild von 1247 erhalten oder hat sich mit ziemlicher Sicherheit daran befunden, denn erst ab 1260 verwendet er zusätzlich ein Reitersiegel. Ab 1254 verwendet auch sein jüngerer Bruder Heinrich ein Siegel mit gerautetem Dreieckschild, ab 1259 ebenfalls ein Reitersiegel.[57] Vom Tod Ottos II. des Erlauchten 1253 bis 1255 regieren die Brüder das Herzogtum gemeinsam, danach teilen sie es in Pfalz-Oberbayern (Ludwig) und Niederbayern (Heinrich). Die Grenzen entsprachen jedoch noch nicht denen der heutigen Regierungsbezirke. Bei der Betrachtung der Empfängerorte fällt auf, dass die allgemeinen Staatsgeschäfte, die Ludwig entweder mit seinem Vater oder Bruder tätigt, im ganzen Herzogtum verteilt sind, während die Urkunden, die er alleine ausstellt, d.h. seine eigenen politischen Angelegenheiten, sich auf die ehemalige Grafschaft Wasserburg und deren Umland konzentrieren.


Vergleich mit den Grafen von Bogen: Rauten und Gitternetz

Vergleich der Wappen auf Siegeln der Grafen von Bogen und Wasserburg

Vergleicht man die Wappenschilde und Fahnenlanzen der Bogener und Wasserburger Siegel, so fällt auf, dass es sich nur bei den Wasserburgern um echte Rauten handelt, mathematisch beschrieben einen Rhombus mit unterschiedlichen Winkeln (im Gegensatz zum Schach, das eine Fläche quadratisch unterteilt). Auch sind auf den Wasserburger Siegeln die Rauten erhaben dargestellt, womit der Kunsthandwerker darstellen wollte, dass sie sich farblich vom Schildgrund bzw. Tuch der Fahnenlanze bei Dietrich unterscheiden. Bei den Bogener Siegeln ist ein aufgelegtes Gitternetz zu erkennen.

Auch Scholliner, der Urheber der Bogener These, erwähnt ja die Wasserburger These, führt aber als ausschlaggebendes Argument auf, dass die Wasserburger Rauten senkrecht und nicht schrägrechts stehen.[58] Ihm lagen teilweise nur die Abbildungen in MB vor, die insbesondere bei den Bogener Siegeln irreführend sind (siehe Abbildungen oben). In der nebenstehenden Abbildung sind die Details aus den Siegeln der Bogener und Wasserburger Grafen im Vergleich zum Rautensiegel Herzog Ludwigs dargestellt. Augenscheinlich sind Scholliners geometrische Argumente nicht zutreffend, bei den Bogener Grafen wurde schlicht eine andere heraldische Figur dargestellt, nämlich das oben beschriebene aufgelegte Gitternetz. Hingegen ist die Ähnlichkeit der Rauten insbesondere Bei Graf Dietrich und Herzog Ludwig frappierend.

Aufschlussreich ist auch die Aussage des bayerischen Historikers Wiguläus Hund von 1585, also zwei Jahrhunderte vor Scholliner, als der Erhaltungszustand entsprechend besser war. Er spricht explizit von einem Schach, nicht von Rauten:

… Die Graven von Pogen führten drey gelb Pogen in blawen Feldt/ aber ich find das sie auch ein gschachten Schildt geführt/ die Farb weyß ich nit …[59]


Überlieferung der Farben über das Kloster Attel

Das im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts[60]von Hallgraf Engelbert gegründete Benediktinerkloster Attel war das Hauskloster der Grafen von Wasserburg, neben dem 1235 von Graf Konrad gegründeten Dominikanerkloster Altenhohenau. Es war üblich, als Klosterwappen das Wappen des ausgestorbenen Stiftergeschlechts zu wählen, praktiziert vor allem ab dem 15. Jahrhundert von Benediktiner- oder Zisterzienserstiften. So gibt es im altbayerischen Raum einige bekannte Beispiele[61]: Die von den frühen Wittelsbachern gegründenten Klöster Indersdorf, Ensdorf und Scheyern führen den Zackenbalken der Wittelsbacher. Dießen und Andechs führen Löwe und Adler aus dem Siegel des letzten Grafen von Dießen-Andechs.[62] Attel führte das Wappen Konrads von Wasserburg mit den drei Rauten. Andere Klöster führen apokryphe (den Gründern zugeschriebene, für diese aber nicht direkt nachweisbare) Wappen, z.B. Steingaden den Greifenlöwen der Welfen. Für das Kloster Windberg, gegründet von den Grafen von Bogen, ist ab Mitte des 16. Jahrhunderts ebenfalls ein Rautenwappen überliefert, allerdings mit einem goldenen Glevenrad belegt.[63]

Im Gegensatz zu den Siegeln weltlicher Herren tauchen heraldische Elemente bei geistlichen Territorien erst relativ spät auf. Im frühen und hohen Mittelalter ist zumeist nur der geistliche Würdenträger oder ein Kirchenpatron dargestellt, so auch an Atteler Urkunden, z.B. 1368 [64]: Abt und Konvent führen je ein Siegel mit dem Hl. Michael. Der früheste bildliche Nachweis für die Verwendung der drei Rauten im Wappen des Klosters Attel stammmt von 1440.[65] Das Rautenwappen wurde vom Abt oder für die Abtei als ganzes verwendet, der Konvent führte ein Wappen mit einem Rad, das Zimmermann als Schildbuckel interpretiert und damit dem als Schild des Hl. Michael am Konventswappen in den oben genannten Urkunden entspricht. So befinden sich zu Füßen der Figuren am Stiftergrab auch das Konventswappen, zu beiden Seiten je das Abteiwappen.

Die Tingierung (Farbgebung) des Atteler Wappens ist überliefert als silberner Schild mit drei blauen Rauten, der älteste Nachweis ist auf der bayerischen Landtafel von Hans Mielich zu finden, einer Illustration im Bußpsalmencodex Herzog Albrechts des V. von 1565.[66] Dort ist auch ein Wappen des Klosters Altenhohenau überliefert mit den Kirchenpatronen, zwischen denen sich ein Rautenschild befindet. Dieser ist aber wohl kein Hinweis auf die Wasserburger Grafen sonder eher auf Margaret von Bayern, Tochter Herzog Georgs des Reichen und Förderin des Klosters. Wenn man nun von einer authentischen Fortführung des Rautenwappens Graf Konrads durch Attel ausgeht, so werden sicher auch die Farben übernommen worden sein. Alle Darstellungen auf Siegeln oder Grabsteinen des Atteler Klosterwappens bilden die Rauten als erhabenes Relief ab, d.h. man kann hier bereits von einer einheitlichen Tingierung ausgehen. Im Hinblick auf die bayerischen Rauten könnte so auch die Farbgebung weiß (heraldisch silber) und blau in einer kontinuierlichen Tradition der Grafen von Wasserburg stehen.

  1. Bayerisches Staatsministerium des Innern, Staatssymbole des Freistaates Bayern.
  2. BayHStA, Urkunden Seeon 10.
  3. z.B. bei Slowioczek, Die Grafen von Bogen, Volkert, Wappen der Wittelsbacher
  4. Vorliegender Beitrag basiert auf Dietz, Das Rautenwappen der Wittelsbacher wurde jedoch umfangreich erweitert
  5. Mayaud, Méthodes et réflexions du père Ménestrier et des érudits héraldistes
  6. Lipowsky, Von dem Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach, 196 f.
  7. Schroeder, Kleine Wappenkunst, 28.
  8. Schöntag, Reitersiegel als Rechtssymbol, 88.
  9. Schroeder, Kleine Wappenkunst, 25-26.
  10. Hye, Wappen der Grafen von Andechs, 661.
  11. Dies wurde seit der Preisfrage (Beleg für die Preisfrage einführen) der kurfürstl.-bayerischen Akademie der Wissenschaften von 1775 immer wieder kontrovers diskutiert. Letztlich besteht aber bis heute die Vermutung, dass es sich bei dem Zackenbalken um das Stammwappen der Wittelsbacher handelt, vgl. Hofmann, Urkundenwesen.
  12. Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens, 264-265.
  13. Wikipedia, Geschacht (Heraldik)./ Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst, 33.
  14. Wikipedia, Raute (Heraldik)./ Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst, 59.
  15. Archives départementales de la Somme, Sign. 20H9/3.
  16. Wikipedia, Wecke (Heraldik).
  17. Wikipedia, Spindel (Heraldik).
  18. Bayerisches Staatsministerium des Innern, Staatssymbole des Freistaates Bayern.
  19. Wikipedia, Craon (Adelsgeschlecht).
  20. Wikipedia, Coat of Arms of Monaco.
  21. Generallandesarchiv Karlsruhe, Salemer Urkunden 4, Nr. 7053.
  22. Hefner/Siebmacher, Abgestorbener bayerischer Adel 1, 160./ Hefner, Altbayerische Heraldik, 115.
  23. Hefner, Altbayerische Heraldik, 177.
  24. Mötsch, Siegel der Grafen von Sponheim, 461 und 467./ Primbs, Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen.
  25. Noichl, Grafen von Wasserburg.
  26. Noichl, Grafen von Wasserburg.
  27. In bayerischen und österreichischen Archiven sind 44 Urkunden der Grafen von Wasserburg erhalten, an 39 davon sind noch Siegel oder Siegelreste vorhanden, sieheDietz, Auswertung der Siegel der Grafen von Wasserburg.
  28. BayHStA, Urkunden Schäftlarn 3, BayHStA, Urkunden Rott am Inn 10, BayHStA, Urkunden Attel 9 und BayHStA, Urkunden Attel 10.
  29. BayHStA, Urkunden Attel 10.
  30. Primbs, Wanderung durch die Sammlung von Siegelabgüssen./ BayHStA, Metallabgussammlung A 6210, Abguss nach BayHStA, Urkunden Hochstift Regensburg 45.
  31. Wikipedia, Burggraf von Regensburg.
  32. Wikipedia, Klemens Stadler
  33. Stadler, Wappen und Siegel der Stadt Rosenheim
  34. Rosenheim, Stadtwappen und Logo
  35. Wikipedia, Burg Rosenheim
  36. Rosenheim, Stadtwappen und Logo
  37. Am besten erkennbar auf BayHStA, Metallabgussammlung A 6211, Nachweis des zweiten Typars Graf Konrads.
  38. Neben der Veröffentlichung der Schrift des Gewinners der Preisfrage, Lipowsky, Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach, berichtet auch Einzinger, Historische Wappengallerie darüber
  39. Lipowsky, Geschlechtswappen der Pfalzgrafen von Scheyern und Wittelsbach.
  40. Einzinger, Historische Wappengallerie.
  41. siehe Einzinger, Historische Wappengallerie
  42. Scholliner, Historisch-Heraldische Abhandlung.
  43. Hefner/Siebmacher, Soveraine der deutschen Bundesstaaten 1.
  44. Mayer von Mayerfels, Wittelsbacher Stamm-, Haus- u. Geschlechtswappen.
  45. Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens.
  46. Hupp, Wappen und Siegel.
  47. Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen.
  48. Wappengesetz Bayern.
  49. Nach Rattelmüller, Das Wappen von Bayern war Stadler, Das bayer. Staatswappen der entscheidende Aufsatz für die Übernahme der Bogener These durch offizielle Stellen und Wissenschaft
  50. Stadler, Das bayer. Staatswappen
  51. Volkert, Wappen der Wittelsbacher und Volkert, Die Wappenzeichen des Landes Bayern.
  52. Hiebl, Konrad von Wasserburg.
  53. Jochner, Das Wittelsbachische Hauswappen, 404
  54. Inninger, Konradin.
  55. Basis für die Abbildung ist Hofmann, Urkundenwesen.
  56. Landesteilung als Endpunkt deswegen, weil dadurch auch die Verwaltung umgegliedert wurde und sich entsprechend die Ausstellungsorte nach den Verwaltungssitzen richten (hauptsächlich Landshut/Niederbayern, München/Oberbayern). Auch war zu dem Zeitpunkt das Rautenwappen schon voll etabliert.
  57. Primbs, Entwicklung des wittelsbachischen Wappens.
  58. Scholliner, Historisch-Heraldische Abhandlung, 16 f.
  59. Hund, Bayrisch Stammen-Buch, 121.
  60. Noichl, Erfundene Zahl!
  61. Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik.
  62. Hye, Wappen der Grafen von Andechs.
  63. Hund, Bayrisch Stammen-Buch, 122, wohl wegen des Glevenrades eher in die Kategegorie apokryphe Wappen einzuordnen.
  64. StadtA Wasserburg a. Inn, I2a2.
  65. Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik , 36.
  66. Mielich, Wappen der bayerischen Landstände